Respekt vor den Tönen
Oded Tzur beim Jazzklub Krefeld
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der aus Israel stammende Tenorsaxofonist Oded Tzur weiß, was er will: Es ist schon gewagt, ein Live-Set direkt mit einer viertelstündigen Ballade zu beginnen. Aber diese Konsequenz ist typisch für diesen in New York lebenden Feingeist, den der Jazzklub Krefeld ins Glasfoyer des Theaters eingeladen hatte.
Aus nobler Verzagtheit erwächst in ausverkauftem Haus eine tief berührende Empfindsamkeit. Ja, es mutet so an, als wollte Oded Tzur seinem Instrument und den Tönen darauf einen regelrecht vorsichtigen Respekt entgegen bringen.Allein damit markiert dieses Quartett die Antithese zu jedem „schneller, höher, weiter, lauter“ im Jazz. Diese Musiker eröffnen damit Räume, in denen sich die tiefe Botschaft über jede Dekoration erhaben zeigt. Oded Tzur entschleunigt die Luftströme auf dem Tenorsaxofon regelrecht. Seine sinnliche Spielweise offenbart zudem hauchzarte Glissandi, fast schon Mikrointervalle. Das blitzen eindeutige Spurenelemente seiner Zusammenarbeit mit dem indischen Flötenspieler Hariprasad Chaurasia auf. Die Lenkung im Gesamtgefüge der Band obliegt vor allem dem Bassisten Petros Klampanis. Kein Ton zu viel gibt hier unerschütterlich die Richtung vor - vor allem das ermöglicht den anderen so viel fantasievolle Entfaltung! Schlagzeuger Jonathan Blake besticht durch feingliedrige Jonglage mit Akzenten und filigranen Sechzehntelketten. Der Jüngste in der Band ist der Pianist Nitai Hershkovits. Dessen Spiel ist einer fast schon impressionistischen Anschlagsfinesse gesegnet. Nach der langen Eröffnungsballade gehen andere Tore auf: Jetzt gibt der Bass eine ostinate Skala in Molltonleiter vor, lässt verschlungene Gratwanderungen zwischen zeitgenössischem Jazz und moderner Kammermusik in Gang kommen. Wechselvoll, mit immer neuen lyrischen Ruhepolen gesättigt, spannt sich die Dramaturgie weiter und mündet schließlich mit einer weiteren innigen Ballade in die Zielgerade. Als Zugabe für den stürmischen Applaus folgt John Coltranes beschwörendes "Afro-Blue", hier in einer nicht wirklich ausschweifenden, dafür umso nobleren, respektvollen Hommage. Klar ist: Diese israelisch-amerikanischen Musiker „können“ Jazz – und wie!
„Das Saxophon steht im Jazz für Ausschweifung und Entgrenzung. Oded Tzur markiert gewissermaßen für das Gegenteil“, hatte Florian Funke vom Jazzklub Krefeld sein Publikum vorab eingestimmt. Diese Charakterisierung konnte wohl jeder am Ende nur unterschreiben.