„Ravensburg“ in Ravensburg
Trans4JAZZ-Festival 2018
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Oliver Hofmann & Thomas Fuchs
Als packender Jazzbassist ist er bekannt geworden, vor allem auch mit seinem Spiel auf dem akustischen Tieftöner. Den hat Avishai Cohen in Ravensburg gar nicht erst dabei. Wozu auch, Jazz spielt er bei der Live-Umsetzung seines aktuellen Albumprojekts „1970“ im wunderschönen Ravensburger Konzerthaus sowie nicht. Muss ja auch nicht sein. Aber sein World-Pop, den er mit seinem Quintett serviert, klingt irgendwie reichlich fad. Wozu der Israeli eine Sängerin mitgebracht hat, die eigentlich nur gegen Ende in einem Duett mit ihm mal zeigen darf, was sie stimmlich kann, man fragt sich. Denn am liebsten hört der schon ein wenig selbstverliebt wirkende Avishai Cohen sich selbst singen. Da überzeugt US-Gitarrist Mike Stern mit seiner Band zwei Abende zuvor im Nachbarort Weingarten deutlich mehr. Zwar klingt sein Jazz-Rock-Gebräu, das er mit Langzeit-Buddy Bob Malach am Saxofon, E-Bassist Darryl Jones und Powerdrummer Keith Carlock zusammenrührt, irgendwie gut abgehangen nach alten Fusion-Tagen, aber alles ist kernig auf den Punkt gespielt. Seine vielen Fans im vollbesetzten Kulturzentrum Linse lieben es zu Recht!
Was das „Trans4JAZZ“ ausmacht, ist seine Vielfalt, sowohl bei der musikalischen Auswahl für das Programm als auch bei den Spielstätten. Dass dabei auch Künstler aus der Region oder gar aus der Stadt eine Spielwiese bekommen - wunderbar. Das Duo „Olícia“ hat sich abgeleitet von den eigenen Namen benannt. Die Ravensburgerin Anna-Lucia Rupp und Fama Olivia M´Boup sind zwei noch junge Sängerinnen, die ein kleines Set im Vorprogramm von Avishai Cohen spielen dürfen und ihren Gesang mit allerlei Effekten und Loops anreichern. Ein wenig fehlt da noch die Stringenz, aber aus diesem Projekt kann was werden.
Im historischen Konzerthaus kommen auch die Soul- und Funk-Freunde auf ihre Kosten. Der schwedische Sänger und Keyboarder Johan Nilsson und seine Band eröffnen sie mit Funk, Pop, R&B und Orchesterjazzigem. Nilsson gibt dabei zwischendurch wahlweise den Stevie Wonder oder R&B-Star Brian McKnight, was vielleicht nicht so wahnsinnig originell ist. Da packt es einen bei „Electro Deluxe“ schon mehr. Messerscharfe Bläsersätze, jede Menge knalliger Funk und Soul, dazu der charismatische, elegant gekleidete Frontmann und Sänger James Copley – wer Spaß will, ist bei den Franzosen an der richtigen Adresse.
Seit Jahren ein Highlight im Festivalprogramm ist das Sonntagnachmittagskonzert am letzten Festivaltag in der Evangelischen Stadtkirche in der Ravensburger Innenstadt. Dieses Jahr ist es sicher der emotionale Höhepunkt. Mathias Eick reist extra für diesen Auftritt aus Oslo an. Aber wer hätte besser dort hingepasst als der norwegische Trompeter, der sein aktuelles, im Frühjahr erschienenes Album „Ravensburg“ genannt hat! Er hat es so genannt, weil eine seiner beiden Großmütter zwar in München geboren wurde, aber in Ravensburg lebte. Hymnisch verträumt, aber auch zupackend und groovend spielen sich Eick und sein Quintett durch die Kompositionen des Albums und einige weitere Nummern. Zauberhaft die Dialoge von Trompete und der Violine von Håkon Aase, sanft die Pulsschläge von E-Bass und Schlagzeug, ausschmückend die Sounds von Keyboard oder Fender Rhodes. Dazu ist der Sound in der Kirche brillant. Ein absoluter Hörgenuss. Da fällt es richtig schwer, nur gut eine gute Stunde später in der Zehntscheuer der jungen Polin Kinga Głyk und ihrem funky Bassspiel zu lauschen und sich dabei auch nur annähernd so berühren zu lassen.