Raum-Erlebnis
Hanno Busch-Trio im Bunker Ulmenwall
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Das Publikum mit neuen Hörabenteuern konfrontieren und fair dabei bleiben – getreu diesem Anliegen gab es in den Anfangszeiten des Bunkers Ulmenwall eine besondere Option: Wer wirklich mit dem Gehörten nichts anfangen konnte, durfte innerhalb der ersten Viertelstunde des Konzertes den Raum wieder verlassen und bekam das Eintrittsgeld zurück erstattet. Dies weiß Frank Ay zu berichten, der für Booking und Programm in Ostwestfalens Jazzspielstätte Nr. 1 verantwortlich ist. Aber es hat in den zurück liegenden Jahrzehnten selten jemand Gebrauch gemacht davon. Ebenso war der Hörerschaft beim jüngsten Konzert mit dem Hanno-Busch-Trio jeder Fluchtgedanke fremd. Man sitzt vis-a-vis, eine derartige Anordung gilt an diesem Abend daher auch für Hanno Busch , Gitarre, Jonas Burgwinkel Schlagzeug und Claus Fischer am Bass.
Und damit werden Musikergeneration auf Augenhöhe gebracht: Claus Fischer hat im Jahr 1990 zum ersten Mal mit der Franck-Band (mancher mag sich jetzt erinnern...) den Bunker gerockt - da war Jonas Burgwinkel , heute unter anderem Professor für Jazzschlagzeug an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, gerade einmal 9 Jahre alt.
Die Fäden in der Band dieses Abends zieht der Wuppertaler Gitarrist Hanno-Busch. Deutlich werden lässt dieser, dass Jazz immer Nahrung von außen braucht. Für einen der ambitioniertesten Jazzgitarristen in NRW ist dies eine persönliche Affinität zu guten Pop-Songs. Jeder noch so komplexe, verfrickelte Höhenflug braucht doch als Keimzelle eine große Melodie – und so ein künstlerisches Credo ist an diesem Abend in jedem Moment heraus hörbar. Aktuell ist Hanno Busch von den Songs eines Billy Joel angefixt. Also werden Elemente, Themen, Melodien aus diesem Repertoire in den spielerischen Kosmos dieses Trios hinein gepumpt. Um vielgestaltig und konträr, mal vertrackt, dann auch gerne mal extrovertiert und aufbrausend, im nächsten Moment entwaffnend zart weitergedacht und zerlegt zu werden...
Hanno Busch wollte ausdrücklich Jonas Burgwinkel in diesem Trio. Und der wird naturgemäß zum aktiv agierenden Subjekt. Wenn es sein muss, zimmert er wuchtig drauf, dass es kracht und scheppert, aber er kann auch im nächsten Moment ganz anders. Lässt mal sphärisch die Fingernägel über das Fell der Snare kreisen oder schraubt mitten im Spiel das Highhat los, um es andersrum auf die Snare zu legen und mit weichem Schlegel regelrecht zu streicheln. Aber bei jeder Aktion steht ein tieferer Sinn dahinter. Etwa, als wenn er beständig eine Sprache durch die passenden Satzzeichen und Artikulation erst lebendig macht. Hanno Busch s Präsenz ist eine unaufdringliche. Trotz eines riesigen Arsenals aus Moog-Effektgeräten und anderem Equipment ist vordergründige Effekt-Posiererei seine Sache nicht. Dafür sind alle Veränderungen und Nuancierungen in Buschs Saitenspiel viel zu subtil. Bassist Claus Fischer breitet opulente Soundbretter aus, lässt seinen E-Bass aber auch höchst lebendig singen. Und erzeugt mit seinen flinken Fingern genug rasante, beweglich zupackende Strukturen, dass diese - oft Note gegen Note - auch mit schnellstem Burgwinkel-Schlagzeug-Trommelfeuer konkurrenzfähig bleiben.
Das Publikum ist auf Anhieb völlig eingeschworen auf alldies. Die Raumsituation bietet ja ohnehin ein hautnahes Live-Erlebnis zum Anfassen. Mancher hört versunken mit geschlossenen Augen zu. Und auch für die Musiker ist dieser Abend wie kein anderer – was Hanno Busch und Jonas Burgwinkel hinterher einstimmig im Gespräch bekunden.
Mittlerweile, im 60. Jahr (!) des Bestehens dieser Spielstätte ist ein langjährig gewachsenes, aufgeschlossenes Publikum eine sichere Bank für ambitionierte Programmplanungen. Man hat auf ein großes Jubiläums-Brimborium verzichtet und will solche Energien doch lieber in ein überzeugendes Gesamtprogramm fürs ganze Jahr stecken. Natürlich wünschen sich Frank Ay, Lena Jeckel und das gesamte Team, dass der Bunker Ulmenwall von noch mehr jungen Leuten als solider Zufluchtsort vor dem Mainstream angenommen wird. Aktuell wurde gerade die Altersgrenze für vergünstige Tickets für junge Leute von 18 auf 20 Jahre erhöht. Frank Ay: „Damit erfassen wir auf Anhieb jene Altersgruppe, die bereits einen Führerschein hat – also viele Menschen, die nun auch aus dem Umland zu uns kommen können.“ Audience developement fängt bei ganz profanen Überlegungen an.
Übrigens hat sich die webadresse vom Bunker Ulmenwall geändert und lautet nun www.bunker-ulmenwall.org
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