Ramon Vallé Trio in Dorsten
Storytelling mit Worten und Tönen
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Wie ein Erzähler mit riesigem Wortschatz und eben solchem Erlebnishorizont formt der kubanische Pianist Ramon Vallé seine Themen, Motive und Melodien. Ein gutes Stück brauche nun mal eine eigene, authentische Story, lautet das persönliche Credo des Kubaners – egal ob die Musik laut oder leise ist, ob sie sich wild gebärdet oder in balladeske Traumsequenzen voller anrührender Melodik und emotionaler Wärme eintaucht! All dies war hautnah erfahrbar - wieder mal im vollbesetzten Dorstener Kulturzentrum Leo, das erst im Frühjahr dieses Jahres eröffnet wurde und seitdem als neue, hochkarätige Jazz-Spielstätte für Furore sorgt.
Man lernt Klavierspielen in Kuba, wie Ramon Vallé im angeregten Pausengespräch das Geheimnis um seine phänomenale Tastenkunst lüftete. Er kam früh aufs Konservatorium von Havanna, das stark von der russischen Klavierschule beeinflusst ist - und diese ist nun mal ein Gütesiegel in Sachen unbestechlicher Instrumentenbeherrschung! Auch in Kuba lehren Professoren, die manchmal auch vom Moskauer Tschaikowski-Konservatorium kommen, eine der Kaderschmieden für höchste Instrumentenbeherrschung, wo und mit harter Auslese das spielerische Handwerkszeug vermittelt wird. (Das erklärt das hohe Niveau, das die meisten Spieler, die aus vormals sozialistischen Ländern kommen, fast immer vorzuweisen haben). Disziplin als Basis für künstlerische Freiheit – diese Rechnung geht auch bei Ramon Vallé im besten Sinne auf! Heute in Amsterdam lebend, kultiviert der charmante Kubaner eine musikalische Weltsprache voller emotionaler Wärme, die niemals die karibischen Wurzeln verleugnet. Die außerdem jedem modernen Jazzidiom souverän gewachsen ist, aber die aber jede tonmalerische, melodische Nuance ins rechte Licht zu rücken weiß, wie kein profilierter Klassikinterpret besser hinbekommen würde.
Die fabelhaft impulsive Interaktion mit seinen aktuellen Trio-Mitstreitern beglückt und entrückt im Dorstener Kulturzentrum LEO! Bassist Omar Rodriguez Calvo liefert satte Hintergrundfarben für Vallés leuchtende Klaviermelodien. Das Schlagzeugspiel von Omar Rodrigues Calvo ist ein sprühendes Ideenfeuerwerk voller Impulse und Interventionen. Da ist viel Flexibilität gefragt, da Ramon Vallé ja auch gerne im fliegenden Wechsel die perkussive Raserei und im nächsten Moment schon wieder eine regelrecht romantische Phrasierungskunst an den Tag legt. Und sowas geschieht ohne Brüche, denn alles fließt in der geschmeidigen musikalischen Erzählkunst dieses Trios. Erzählkunst lebt auch, wenn die Musik mal Pause hat. Dann redet Ramon Vallé mit seinem Publikum, erzählt mit weicher Stimme von vielen Momenten aus seinem Leben, die zu Musik inspirierten. Und es wirkt so leicht und selbstverständlich, wenn das Trio Klassikern zu Leibe rückt. Stilsicher und hellhörig kommt das Trio wie eine bestens geölte Maschine bei John Coltranes „Giant Steps“ auf Touren. Traumverloren verweilen die drei später in einer balladesken Bearbeitung von Leonard Cohens „Halleluja“. Das Publikum ließ sich begeistert von so viel einnehmender musikalischer Ausstrahlung wegtragen.