Rätsel und Impression
Benjamin Schäfers "Quiet Fire" in der Jazzschmiede
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Benjamin Schäfer findet Lust am Komponieren und am Experiment. Spannend wird es genau in der Mitte. Und es sei ja auch idealerweise das Hauptthema eines Jazzmusikers, alle diese Elemente unter einen Hut zu bringen- bekundete Schäfer in einem langen, tiefgehenden Gespräch (jazzreport folgt bald...) . Nicht minder groß war die Neugier, das Spiel der Band „Quiet Fire“ live zu erleben – genauer gesagt das Live-Debut mit dem neuen Material aus dem gleichnamigen Album.
Die Düsseldorfer Jazzschmiede bietet für so etwas einen einladenden Rahmen. Nicht zu groß und nicht zu klein. Nettes Publikum, mit dem man schnell im Gespräch ist. Man sitzt, ausgestattet mit frischem Altbier oder anderen Genüssen an kleinen Tischen – Entspannung pur um in frische Musik einzutauchen!
Benjamin Schäfer, Klavier, Kathrin Pechlof, Harfe, James Wylie, Altsaxofon, Igor Spallati, Bass und Max Andrzejekwsi, Drums steigen sofort in die Dramaturgie der neuen Platte ein. Das konterkariert erstmals die Erwartungshaltung von „Jazz“, denn die Füße finden keine vertrauten Muster zum Mitwippen. Dafür breitet sich die Musik umso mehr in weit atmenden Bögen aus, dominiert eine mitunter fast collagenhafte Vielgestalt. Themen, Zwischenspiele, lyrische Bezugspunkt, kurze Freejazzausbrüche, sinnliche atmende Melodienbögen vor allem von Saxofon und Harfe folgen einem dezidierten Plan. Benjamin Schäfer sucht den Dialog mit seinem Publikum, fragt auch Hintergrundwissen ab: Nur überraschend wenig Leute kennen den französischen Komponisten Erik Satie, der für gleich eine ganze Stücke-Trilogie in dieser neuen Musik Pate stand. Erik Satie begriff Musikstücke symbolisch als „Möbelstücke“ , die nicht für sich stehen, sondern atmosphärisch in einen Raum hinein wirken. Aber die komplex verschachtelte, oft rätselhafte Dramaturgie der Stücke produziert in der Jazzschmiede eher das Gegenteil von hintergründigem Ambiente. Dafür bergen allein schon die vornehmlich einfachen, aber immer tief berührenden von Schäfer komponierten Themen zu viel Substanz. Imaginäre Bilder einer klingenden Ausstellung?
Die „Schwingungen“ zwischen Publikum und Band sind vor allem in der ersten Konzerthälfte betont fragil. Dass diese Musik an dieser Spielstätte polarisiert, liegt in der Luft. Nach der Pause sind etliche Plätze leer. Die, die geblieben sind, dürfen erleben, dass die verfrühte Flucht ein Fehler war: In einer Eigenkomposition und einem Carla Bley-Stück legen die fünf Spieler aus der Kölner Szene ihr Potenzial alsVollblut-Jazzer offen. Irgendwie scheint dieses „Intermezzo“ Hörer und Spieler gleichermaßen locker zu machen, als würde noch einmal richtig für Atem geholt für die Höhepunkte des ganzen Konzerts, zu denen sämtliche weiteren Stücke werden.
Im Stück „Nautilus“ vereinen sich weather-report-artige Altsaxofonlinien mit sprühenden Harfen-Impressionen und hocheloquenten Klavierstatements vom Bandleader selbst. „Elegy“ ist eine Ballade, deren smoothe Jazzharmonik und ein poetischer Dreier aus hingetupfen Harfentönen, Klaviermotiven und einer Bassmelodie zum Zurücklehnen einlädt. „Le Gibet“ ist - eine Neu-Interpretation des ruhigen Mittelstücks aus Maurice Ravels Komposition „Gaspard de la nuit.“ „Quiet Fire“ lassen hier einen musikalischen Impressionismus mächtig aufblühen, und der wird vom expressiven, spontanen Potenzial eines freigeistigen Jazzidioms in weitere, ungeahnte Dimensioinen erhoben: Stoisch, fast wie ein Glockschlag pulsiert ein Klavierostinato. Ein Harfenmotiv klinkt sich ein, dann verdichtet die Saxofonfigur die morbide Melancholie. Viele Töne braucht dieses Stück garnicht, um zu überwältigen. Die kklangliche Dynamik lässt alles extrem unter die Haut gehen. Es geht übrigens um einen Gehenkten am Galgen an diesem Stück.
Eine Morität beendet diesen erstaunlichen Abend: Da vereinen sich die Ausführenden noch einmal zum finalen Chor.