Radio Vostok von Irkutsk nach Troidorf
Free Jazz Improvisations Performance Show
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Igor Titenko, ein russischer Multiinstrumentalist, Filmemacher und Performer tourt mit seiner Free Jazz Improvisations Performance Show “Radio Vostok 2” durch Europa und spielt ein Konzert im Kunsthaus Troisdorf. Bei seinen verschiedenen Konzert Performances wirken immer unterschiedliche Musiker aus der örtlichen Jazz- und Improvisationsmusikszene mit.
In Troisdorf tritt er mit zehn Musiker*innen und Performer*innen auf. Die Basis des Performance Konzertes bildet die Geschichte eines Afrikaners und seiner abenteuerlichen Flucht aus Sibirien. Die Aufführung Radio Vostok 2 besteht aus 15 separaten musikalischen Teilen. Die Story: Der Autor von " Max" ist ein DJ von Radio Vostok. Er ist seit drei Wochen auf Sendung und überlebte einen Strahlungs- und Chlorangriff, sein Kollege wird verrückt und wandert um den Radiosender herum und redete mit Antennen. Auch Max hat Halluzinationen. Um nicht verrückt zu werden, erinnert er sich an Geschichten, die ihm helfen, die Hoffnung auf Erlösung aufrechtzuerhalten.
Radio Vostok 2 ist die Geschichte von Mosley Otangee aus Niger, der 8 Jahre in Sibirien lebte, dann eine Dampflokomotive stahl um mit seiner Schwester zusammenzutreffen, nachdem er im Winter 1000 km auf dieser Lokomotive gefahren war. So verrückt wie die Geschichte daher kommt, beruht sie doch auf einer wahren Begebenheit aus den 90er Jahren in Sibirien.
Die Geschichte wird in einem experimentellen Film dargestellt, der während des Konzertes auf die Wand projiziert wird.
Die Musiker bestehen aus zwei Gruppen, einem Bläsergruppe mit Karl Krützmann am Altsaxophon, Roland Borch an der Posaune, Gernot Bogumil, Taschentrompete und Melanie Kleinsorg an Tuba und Querflöte und einer Gruppe mit Johannes Pfingsten, Percussion, Ketonge aka Thomas Rücker, Elektronik, Matthias Kaiser, präparierter Geige und Johanna Melder Sprecherin/Sängerin.
Geleitet wird das Konzert von Igor Titenko, der Tenorsaxophon und verschiedene Flöten spielt, in unterschiedlichen Stimmlagen singt und mit Masken oder Tüchern auch als Performer aktiv ist.
Die Tänzerin und Künstlerin Claudia Maschek umwandert weiß geschminkt die Bühne mit grotesken Bewegungen, die aus dem japanischen Ausdruckstanz Butoh stammen. Eine Tanzform, die das Absurde und Abseitige mit dem Körper ausdrückt.
Titenko gibt einen groben Rahmen vor und lässt den Musiker*innen viel Raum zu Film und Handlung zu improvisieren. So entsteht spannende Musik in Echtzeit, bezogen auf den Handlungsablauf der Geschichte. Titenko gibt Einsätze und spielt selbst neben dem Tenorsaxophon auf verschiedenen Holz- und Bambusflöten. Er singt russische Gefangenenlieder, Zigeunerweisen oder afrikanische Ritualgesänge. Zwischendurch streift er sich eine Maske über oder umwickelt seinen Kopf mit Staniolpapier und tanzt. Die Musik variiert von energetischem Freejazz, über lyrische Passagen und afrikanischer und asiatischer Musik bis hin zu Noise Attacken. Immer frisch und unvorhersehbar. Die Musiker*innen machen mit ihren Improvisationen die Geschichte lebendig und erschaffen einen Soundtrack zum Film.
Ein musikalisches Werk, das von Ideen nur so sprudelt und überbordet. Eineinhalb Stunden Fahrt in einer gestohlenen Eisenbahn durch immer neue Musiklandschaften.
Eine Konzertperformance, die einem Rohdiamanten gleicht, jede Ecke gibt neue Eindrücke.
An einigen Stellen, könnte er etwas geschliffen werden. Wenn Igor Titenko immer wieder zu Johanna Melder geht, um ihr Skript und ihr Mikro zu benutzen, wenn er übertrieben Anweisungen an sie gibt, dann schafft er unnötige Unruhe. Schon ein zweites Skript hätte das Hin- und Her überflüssig gemacht.
Das Mikro von Johanna Melder ist definitiv zu leise und die Texte zu lang. Kurze prägnante Sätze hätten dem Publikum geholfen den Verlauf der Geschichte zu verstehen. Johanna Melder ist eine großartige Sängerin. An den Stellen, wo sie singt und nicht ließt, zeigte sich ihre stimmliche Stärke, die von Chanson bis zu Bellcanto reicht.
Aber dies alles tut der Aufführung keinen Abbruch. Radio Vostok 2 ist eine großartige, Multimedia Performance, ein spannendes Konzert, Anregung für alle Sinne.
Die Kunsthalle Troisdorf ist für solch ein Konzert besonders geeignet. Inmitten der Ausstellung Nachtschattengewächse mit über 100 Zeichnungen aus der Sammlung von Peter Kerschgens hat dieses Konzert einen adäquaten Rahmen.
Am 12.5. um 11 Uhr wird die neue Ausstellung Photoworks von Frank Braquet eröffnet, dazu spielt Rainer Weber Bassklarinette. Im Rahmen der Ausstellung werden im Kunsthaus Troisdorf Konzerte mit experimenteller Musik stattfinden, die sich mit den ausgestellten Arbeiten auseinandersetzen.