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Qual der Wahl

34. „Festival International de Jazz de Montréal“

Montreal, 08.07.2013
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese

Sitzfleisch war gefragt beim großen Geburtstagskonzert-abend von Wayne Shorter. 80 Jahre alt ist der Saxofonist im August geworden und da lud man das Publikum gleich für satte drei Stunden in das geräumige Théâtre Maisonneuve im Herzen des Festivalgeländes, um einiges anzubieten. Zunächst das Trio „ACS“, mit Pianistin Geri Allen, Schlagzeugerin Terry Lynn Carrington und Bassistin Esperanza Spalding, das einen feinen, hochklassigen Set mit akustischem Jazz ablieferte. Danach gehörte die Bühne dem „Sound Prints“-Projekt von Trompeter Dave Douglas und Saxofonist Joe Lovano. Im sehr beweglichen Quintett mit Drummer Joey Baron, Bassistin Linda Oh und Pianist Lawrence Fields zeigten beide Asse, welch fantasievolle Komponisten und Instrumentalisten sie doch sind. Inspiriert von Wayne Shorter überraschte diese All-Star-and in ihren eigenen Kompositionen, in denen sie wie ihr Vorbild aus dem Stehgreif Dinge unerwartet kreieren. Lebendig, spritzig, humorvoll, wunderbar! Was für ein „Aufwärmprogramm“ für den anschließenden Auftritts des Jubilars. Und Wayne Shorter, Danilo Perez, John Patitucci und Brian Blade knüpften nahtlos an. Alles ist bei diesem Quartett stetig im Fluss und klingt trotz jahrelangen Zusammenspielens frisch und spontan.

Diese Geburtstagsgala war sicher ein Höhepunkt der 34. Ausgabe des „Festival International de Jazz de Montréal“, des weltweit größten Jazzfestivals, das Kanadas zweitgrößte Stadt zehn Tage lang in eine Jazzmetropole verwandelt. Mit 300 Gratiskonzerten open air und hunderten von weiteren Konzerten mit Eintritt in den Clubs und Konzertsälen von Downtown Montreal.. Zwei Millionen Besucher aus aller Welt strömen insgesamt auf das ein Quadratkilometer große Festivalgelände mitten im Herzen der Stadt. Die Qual der Wahl, wo man was hören möchte, ist da ziemlich groß. Aber manchmal gerät man auch durch Zufall an Neuentdeckungen. Auf dem Weg zum intimen Konzert mit der kanadischen Sängerin, Pianistin und Songschreiberin Elizabeth Shepherd, die nicht nur, aber auch als große Verwandlerin bekannter Stücke brillierte, stoppt man dann doch kurz an einer kleinen Open Air-Bühne, um dem energievollen Trio des kanadischen Pianisten Jérôme Beaulieu und seinem modernen Jazz voller ansteckender, teils hymnischer Melodien zu lauschen. Das macht das stilistisch in viele Richtungen offene Festival so interessant. Hier kann man die großen Namen sehen und hören, aber ebenso viel Neues und Unbekanntes entdecken. Oder spät nachts im voll bepackten Club zur Mixtur aus Rap, DJing und bläsergetriebenem Jazz der britischen Formation „The Herbaliser“ munter mitwippen.
Eher zurückgenommen, aber immer wieder auch voller packender Momente waren zwei Auftritte von Saxofonist Charles Lloyd, der sowohl mit seinem Quartett als auch tags darauf im Trio mit Tabla-Spieler Zakir Hussain und seinem Drummer Eric Harland seine Poesie in Tönen in oft herrlich meditative Klanggewänder hüllte. Musik für die Seele, Musik voller Seele, zeitlos schön und frei von irgendwelchen Zwängen. Dagegen bot Courtney Pine mit seinem Projekt „House Of Legends“ nur klischeehaften afrokaribischen, von seinen zirzensischen Saxofongirlanden geprägten Jazz. Der britische Saxofonist, einst ein spannender Grenzgänger und Entdecker, verkommt hier zum Onkel Tom.

Dafür belegte der britisch-dänisch-schwedische Dreier „Phronesis“ seinen Status als eines der aktuell heißesten Klaviertrios. Rhythmisch sind Pianist Ivo Neame, Bassist Jasper Høiby und Drummer Anton Eger Giganten. Melodisch haben sie es auch drauf und mit ordentlich Groove versehen ist die Kombination aus beidem auch in Montreal eine stets packende Mixtur. Sich direkt im Anschluss „The Bad Plus“ anzuhören ist interessant. Auch das US-Trio spielt in der Besetzung Klavier, Bass und Schlagzeug und wartet mit packenden Grooves und eigenwilligen Melodielinien auf. Wie sie zudem ganz lange Bögen zu gestalten wissen, ist einfach fantastisch. Klaviertrios gab es in diesem Jahr in Montreal einige brillante zu hören. Allein, man schafft sie nicht alle. Zu verlockend ist das restliche, riesige Programm dieses einzigartigen Festivals. Text: Christoph Giese; Fotos: Montreal Jazz Festival

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