Quadro Nuevo und Vollgas
Inklusion ist keine Vision
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Vera Marzinski
Gleich zwei Mal trat Quadro Nuevo beim Over-the-boarder-Festival in Bonn mit der Band "Vollgas Connected" der Musikschule Fürth, bestehend aus Musikerinnen und Musikern mit Behinderung, in der „Harmonie“ auf. Spielspaß pur! Und Eindeutig: Inklusion ist keine Vision.
Musik inklusiv, das ist „Vollgas Connected“. Auch „Quadro Nuevo“ schätzt die Spielfreude und Leidenschaft, die die Musiker von „Vollgas“ bei ihren Auftritten versprühen. „Es herrscht eine ganz besondere Lebens- und Spielfreude auf der Bühne – die steckt einfach an“, so Evelyn Huber, Harfenistin von „Quadro Nuevo“. Andreas Hinterseher (Akkordeon, Vibrandoneon, Bandoneon bei „Quadro Nuevo“) schrieb vor den gemeinsamen Konzerten im Rahmen des „Over the border Festival 2019“: „Endlich ist es wieder so weit.... wir dürfen mit unseren jungen Kolleginnen und Kollegen von Vollgas Connected zusammenspielen. Ich freu mich schon wie narrisch. Denn diese genialen jungen Menschen tragen nicht unsere Behinderung mit sich herum, Musik ständig zu werten, zu analysieren, sich zu fragen, was die anderen darüber denken, und so weiter.... sie hören die Musik, wie sie ist, ob sie berührt oder nicht. Egal, welchen Genre sie angehört und aus welcher Zeit sie stammt. Und so spielen sie auch“.
Genau das brachte es auf den Punkt. Zudem groovte so richtig heftig mit und zwischen den beiden Ensembles. Und wenn Vollgas-Akkordeonist Tobias Gehring mit Quadro-Nuevo-Saxophonist Mulo Francel mitten auf der Bühne bei einem der gemeinsamen Stücke so richtig Gas geben, da reißt es jeden mit. Ein sanfter Einstieg für den gemeinsamen Teil des Konzertes bot das „Long train running“, bei dem D. D. Lowka von „Quadro Nuevo“ den Percussion-Part übernahm. Musikschulleiter Robert Wagner begrüßte das Bonner Publikum mit „Wir kommen aus Mittelfranken – aber das macht nichts“. Jeder auf der Bühne sei für sich einzigartig. Gemeinsam seien sie generell ältere Menschen, jüngere Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung. „Eines ist die Klammer – und das ist die Lebensfreude“. Die versprühten „Quadro Nuevo“ auf ihre Weise bereits im ersten Teil des Konzertes mit Stücken wie „Flying Carpet“ oder „Café Cairo“. Auch ein „Die Gedanken sind frei“ aus ihrer neuen CD mit deutschen Volksliedern zählte dazu. „Irgendwie exotisch“, fand Mulo Francel dieses Stück, aber das Ensemble habe sich schon immer mit den unterschiedlichsten Kulturen beschäftigt. Nun auch mit der eigenen, die in ihrer Version ganz besonders klingt. Das Instrumental-Quartett – Mulo Francel, Evelyn Huber, Andreas Hinterseher und D. D. Lowka – ist immer unterwegs abseits der gängigen Genre-Schubladen und hat eine ganz eigene Sprache der Tonpoesie entwickelt.
Ganz besonders auch nach der Pause die Musikvorträge von „Vollgas Conected“. Sie nahmen das Publikum sofort mit in ihre Freude an der Musik. Man sieht es ihnen an und spürt es. „Unchain my heart“ und „Another sad song“ oder „You can feel it all over“. Sie geben wahrhaftig Vollgas. Sie sind Botschafter der Inklusion und so hat sich das Fürther Musikschulensemble „Vollgas Connected“ bundesweit zu einer gefragten Band gemausert. Sie spielten bereits in der Bayerischen Staatskanzlei, auf dem Bundeskongress des deutschen Musikschulverbandes (VdM) in Mainz und sogar im Deutschen Bundestag. Entstanden aus der einzigartigen Idee junge Menschen mit Behinderung eine Ausbildung zum Musiker zu geben. Als Zeichen menschlicher Vielfalt werden Begabungen und Behinderungen wertfrei betrachtet. Empowerment jedes einzelnen Schülers durch Förderung, Unterstützung und Begleitung mit dem Ziel individueller Sinnfindung in der aktiven Auseinandersetzung mit Musik bestimmt die Arbeit der Musikschulen. Ein sich wandelndes Welt- und Menschenbild, in neues Denken und eine neue Kultur des Miteinanders und der Wertschätzung schaffen die Voraussetzungen für eine inklusive Musikpädagogik, so der Verband deutscher Musikschulen.
Bereits zum fünften Mal spielten „Vollgas Connected“ und „Quadro Nuevo“ zusammen. Beiden macht dies sichtlich Spaß und es ist ein Erlebnis zuzuhören. Da spielen sie beispielsweise das „Ajde Jano“, eines der bekanntesten serbischen Volkslieder, oder Piazzollas „Libertango“. Das Bonner „Over the Border“-Festival 2019 bot wieder insgesamt ein starkes und buntes Programm. Ein Teil davon war dieses wunderbare Projekt – einzigartig und genial.