Platz für den Schwarm
"The Dorf" im Forum Bielefeld
TEXT: Rainer Schmidt | FOTO: Rainer Schmidt
Wenn man geneigt ist, die Arbeit von modernen Ensembleleitern und Bigband-Arrangeuren mit dem Malen von einer Klangpalette zu vergleichen, dann dürfte Jan Klare in diesem Kontext mit seiner Formation "The Dorf" mit Farbbeuteln werfen. Und dabei in mehr als sechs Jahren kontinuierlicher Arbeit mit der Großformation eine bemerkenswerte Treffsicherheit erlangt haben.
Der Bunker Ulmenwall, nie drum verlegen, den Projekten des vielseitigen Dorf-Vorstehers und Saxophonisten Klare ein Podium zu bieten, hätte zwar die Zuhörerschaft des Abends im eigenen Lokal unterbringen können, keinesfalls jedoch das Ensemble, das nun Mühe hat auf der nicht eben kleinen Bühne des Forums Platz zu finden und seine raumgreifende Musik. In der von Rockkonzerten der experimentelleren Natur vertrauten Fabrikhalle stellte sich der Spaß an den eruptiven Klangattacken und genüsslich gedehnten Spannungsbögen, die das an diesem Abend 23köpfige Kollektiv aufführte, rasch ein. Die Verdichtung der lautlichen Möglichkeiten dieser aus Holz- und Blechbläsern, Streichern sowie Gitarre, Bass und Elektronik in mindestens doppelter Besetzung zusammen getretenen und um die Stimme der im Hintergrund stehenden Sängerin
Marie Daniels
ergänzten Band ist in den Tutti-Passagen ungeheuerlich. Wenn er Bestandteil des ruppigen Freispiels "Jazz Composers Orchestra" ist – der Titel spielt auf die The Dorf-Grundidee an, mit selbst komponierenden Musikern aus der großen Szene Nordrhein-Westfalens neue Aufführungspraktiken zu erproben – nimmt der resultierende "Lärm" eine deutlich andere Klangfarbe an, als wenn er sich im balladesk startenden, später schlitzohrig mit rhythmischen Elementen des Fusion-Jazz und der Discomusik flirtenden Werk "Well" abspielt. Hoch beeindruckend ist es, wenn die Instrumentalisten auf eins der geheimen Zeichen des mit vollem Körpereinsatz dirigierenden Klare lautstärkeseitig auf "halbe Kraft" gehen, Intensität und Atmosphäre aber aufrecht erhalten. Sowohl in kompositorisch ausformulierten als auch improvisierten Passagen treten verschiedene Instrumentengruppen in Interaktionen, die der Komponist als "selbst organisierende Schwarmintelligenz" beschreibt. Dieser Schwarm ist ebenso befähigt, die Ästhetik zeitgenössischer Klassik in ein glaubwürdiges Licht zu stellen, wie den Heavyrock nach dem verqueren Gusto seines Einpeitschers zu zelebrieren.
Die räumliche Nähe zum dörflichen Gepräge dieser schillernden Ruhrgebietsszene ist was wert!