PIAZZOLLA GOES METALLICA
Duo Aciano & Marina Matthias im Literaturhaus Herne
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Das Duo Aciano spielte Tango, Marina Matthias las dazu Texte über das Leben und den kulturellen Hintergrund des Tango-Magiers Astor Piazzolla. Schließlich gab es im Literaturhaus Herne auch eine Tango-Version von Metalllicas „Nothing else Matters"
2021 wäre Astor Piazzolla 100 Jahre alt geworden, da wäre diese Konzert-Lesung gerade richtig gekommen. Nach Absagen wegen Corona kam das Projekt nun doch im Literaturhaus Herne Ruhr auf die Bühne.
Im ersten Teil geht es vor allem um die ersten Jahre Piazzollas in New York, seine musikalischen Prägungen und Erfahrungen. Dabei spielt auch das gesellschaftliche Umfeld eine Rolle, z. B. die Mafia, mit der Piazzollas Vater zu tun hatte. Marina Matthias liest dazu Texte zu konkreten Episoden, die sie unterhaltsam, mit viel Gestik und mit prägnanter Stimme präsentiert. Danach spielt das Duo die Musik von Carlos Gardel (1890-1935): Por una cabeza und Mi Buenos Aires Querido.
Auch das Paris der 50er Jahre ist Thema, z. B. wenn es um Nadia Boulanger geht, die Piazzolla dazu brachte den Tango für sich zu entdecken und als persönliche Stärke zu akzeptieren.
Histoire de Tango
Nach einiger Zeit geht es weiter, ohne Hut, denn nun wird der Tango als musikalisches Genre in der Form eines Sachtextes dargestellt. Im gefühlten zweiten Teil - es gibt keine Pause - geht es um Stücke von Piazzolla selbst, vor allem um den Tango Nuevo und dessen in Argentinien ablehnende, in Europa begeisterte Rezeption. Hier spricht Piazzolla wieder durch die Person von Marina Matthias zu uns.
Ein Muss ist da der Libertango von 1974, mit dem Piazzolla endgültig mit dem klassischen Tango gebrochen hat. Besonders interessant und passend sind die beiden Stücke aus der vierteiligen Histoire du Tango. Wir hören die ersten beiden Stücke zum Beginn der Tango-Geschichte: Bordel 1900 und Café 1930. Oblivion wurde 1982 ursprünglich für Bandoneon, Klavier und Bass geschrieben, aber kein Problem für das Duo, das das Stück auch mit Gitarre und Geige glänzend bewältigt.
Dann ist plötzlich Nothing Else Matters von Metallica (1991) zu hören. Warum? Das Stück wird inzwischen als Non Tango auf Milongas gespielt und es wird dazu getanzt. Einige Musiker haben Piazzollas Werk fortgesetzt, deshalb hören wir zum Abschluss Nubes de Buenos Aires von Máximo Diego Pujol (*1957).
Marina Matthias und das Duo Aciano
Marina Matthias ist ausgebildete Schauspielerin und hatte Engagements an verschiedenen Bühnen in ganz Deutschland, zehn Jahre lang war sie bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen tätig. Seit 2003 ist sie Dozentin für Schauspiel im Fachbereich Musical an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Sie hat die Autobiografie Piazzollas entdeckt und in Absprache mit den beiden Musikerinnen Passagen ausgewählt.
Das Duo Aciano kommt aus Dortmund. Sandra Wilhelms an der Gitarre und Freya Deiting an der Geige spielen seit 2006 zusammen. Ihr Repertoire ist weit gefächert: europäische Klassik, spanische und südamerikanische Musik des 19. und 20. Jahrhunderts, Salon- und Filmmusik, Irish Tunes und Klezmer, alles haben sie schon gespielt.
Ich hätte mir gewünscht, dass im Rahmen der Textbeiträge auch die Titel der Stücke genannt würden. So konnte man den Zusammenhang zwischen Text und Musik nur erahnen, doch wer kennt schon die Geschichte des Tangos so genau?
Doch eine der Zuschauerinnen war wohl anderer Meinung und meinte nach dem Konzert, sie sei „geflogen mit Musik und Wort und ihr Herz habe sich geöffnet". Genau dies war wohl das Ziel der Veranstaltung. Wie es auch sei, auf jeden Fall war es ein unterhaltsames und bereicherndes Event. Ein neues Programm ist in Arbeit.
Inzwischen ist bekannt geworden, dass das Literaturhaus im nächsten Jahr schließt. Die finanzielle Belastung ist zu groß geworden. Die Buchhandlung bleibt aber weiter bestehen.