Bild für Beitrag: Pascal Niggenkemper und Liz Kosack | Raffinierte Soundtüftler in residence
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Pascal Niggenkemper und Liz Kosack

Raffinierte Soundtüftler in residence

Wuppertal, 20.09.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Der aktuelle artist in residence in Wuppertal, der deutsch-französische Kontrabassist Pascal Niggenkemper, hat in diesem Rahmen im ORT sein erstes Konzert. Vor seinem Auftritt zunächst als Solist nimmt er Bezug auf den Gründer und Spiritus rector des ORT, auf Peter Kowald, der seine große Inspirationsquelle war (s. nrwjazz-Interview), auf den er bei seinen internationalen Kontakten immer wieder angesprochen wurde.

Und los geht es: Pascal Niggenkemper zeigt vom ersten Ton an, dass sein Programm, dass seine Spielweise auf „Akustischer Verfremdung“ – so betitelt er seinen Solo-Auftritt – beruht: Mit Bogen und in der linken Hand einem offenen Alu-Schälchen traktiert er sein Instrument. Dieses eher ungewöhnliche Arco-Spiel über das gesamte Register erzeugt eine ungewöhnliche Wirkung: Man hört sirenenartige Geräusche, es vibriert und jault und scheppert, eigentümliche Resonanzen und Toncluster entstehen. Mit geschlossenen Augen hört man ein ausgesprochen vielseitiges Instrument, das man nicht unbedingt einem Kontrabass zuordnete. Dies verstärkt sich noch, als Pascal Niggenkemper den Bogen durch ein geriffeltes Holzstück ersetzt und damit mit flinkem Fingersatz mehrere Saiten gleichzeitig anspielt. Die Wirkung ungewöhnlicher Klänge wird beim nächsten präparierten Set noch verstärkt: Der Soundtüftler greift hier zu einer kleinen Handtrommel – am Steg angebracht –,auf die eine kleine Klammer auf der Saite bei jeder Schwingung schlägt. Verbunden mit Alu-Papierchen auf den Saiten spielt Pascal Niggenkemper ein fesselndes Solo, das die tiefe E-Saite als perkussiven Taktgeber, die hohe G-Saite als „Stimme“ nutzt. Man vermeint, mindestens zwei Instrumentalisten (inter-)agierten gleichzeitig. Hier wie auch im weiteren Verlauf mit Trichtern, die als Dämpfer oder Verstärker, als Erweiterung der Greifhand oder etwa bei einem Glissando eingesetzt werden, zeigt sich der besondere Ansatz von Pascal Niggenkemper, der nicht von ungefähr zu den spannendsten Protagonisten der improvisierten und Neuen Musik mit internationaler Reputation zählt: Bei ihm sind Präparation und Verfremdung nie Selbstzweck oder bloße Effekthascherei, sondern ein überaus feinsinniges Mittel, die musikalischen Möglichkeiten seines Instruments zu erweitern und spontane neue Hörerfahrungen zu vermitteln. Das ist durchaus „free“, aber nie im Sinne von Brutalkrach oder nur geräuschproduzierender „Noise“-Beliebigkeit oder „Ambient“-Wohlfühligkeit. Sound, Rhythmus, Dynamik, melodische Pattern bei durchgehendem Bass-Ton, raffiniert eingesetzte Techniken wie Tapping und Hammering, fein gestrichene Sequenzen– all das ist, ja: hochmusikalisch.

Das zweite Set bestreitet Pascal Niggenkemper mit Liz Kosack: Die New Yorkerin, jetzt in Berlin lebende Musikerin tritt mit unterschiedlichen Gruppen auf, deren Namen durchaus auch Programm verraten wie z.B. Sunrise Over a Dystopic Future City – ein „electromaximalist apocalyptic duo“. Im letzten Jahr trat sie in NRW mit einer Performance mit ihrem Trio VAX (Patrick Breiner am Sax und dem Drummer Davin Gray) und TänzerInnen des Musiktheaters im Revier und auch beim 45. Moers Festival auf. Die Keyboarderin und der Kontrabassist kennen sich schon länger aus New Yorker Tagen und haben eine Reihe von Projekten gemeinsam bestritten.

Optisch fällt Liz Kosack auch in Wuppertal dadurch auf, dass sie wie immer eine kunstvolle Maske trägt: Das Klang-Erleben hat bei ihr auch eine dezidiert visuelle Komponente und versteht sich als Performance.

Der gemeinsame Auftritt beginnt mit einem modulierten Dauerton aus dem Synthesizer, über die sich Klänge legen, die einer besonderen Konstruktion des Bassisten zu verdanken sind: Pascal Niggenkemper setzt per Elektromotor angetriebene und getrennt steuerbare Rädchen an den Steg seines Instruments, die durch ihre modulierbare Rotation imposante rhythmische und klangliche Effekte erzeugen. Das klingt zum Teil wie eine alte Aufziehuhr, zum Teil wie ein Metronom, zum Teil wie eine Dauer-Welle. Liz Kosack steuert dazu elektronische Klänge und Flächen bei mit teilweise ätherischen, teilweise kakophonischen Klanggeweben. Ihre Improvisationen, ihre Loops, ihre raffiniert eingesetzten Sounds und Effekte fügen sich mit denen Pascal Niggenkempers „harmonisch“ zu einem magischen Klanguniversum. Ihr Dialog endet mit einem furiosen Finale.

Man darf auf die weiteren Klangabenteuer des raffinierten Soundtüftlers gespannt sein.


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