Markus Stockhausen Group im Skulpturenpark Waldfrieden
Konzert der Sonderklasse
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Eine runde Sache, dieser Open-Air-Abend im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden mit der Markus Stockhausen Group und Nguyên Lê als Gastsolist: Perfektes Sommerwetter, gut gelauntes Publikum und ein Konzert der Sonderklasse. Schon mit ihrem letzten Album ‚Tales‘ bewies die Gruppe mit ihren Kompositionen und Improvisationen ein außerordentlich „harmonisches“ Zusammenspiel, ein blindes Sich-Verstehen im Klanglichen und Spielerischen. Kein Wunder, mit dem Perkussionisten Christian Thomé spielt Stockhausen seit 2004 zusammen, mit dem Cellisten Jörg Brinkmann seit 2015. Der Niederländer Jeroen van Vliet am Piano bereichert mit seinem feinfühligen Spiel die Gruppe.
Das langjährige gemeinsame Musizieren hört man auch der subtilen Interaktion im Konzert im Skulpturenpark an. Der Opener ‚Sunday Morning‘ aus dem besagten Album ‚Tales‘ passt mit seiner luftig-optimistischen Leichtigkeit und lyrischen Verspieltheit zum lauen Sommerabend und ist ein perfekter Einstieg in das Konzert. Es ist auch kennzeichnend für den typischen Konzertverlauf: ein impressionistisch gespieltes Horn, ein wie ein Kontrabass klingendes Cello, elegische Läufe von Piano und Flügelhorn, ein wunderbarer Dialog von gestrichenem Cello und Perkussion… Ab dem zweiten Stück erweitert E-Gitarren-Legende Nguyên Lê - laut Aussage von Markus Stockhausen dessen Lieblingsgitarrist - mit einem kraftvoll hymnischen Spiel das Quartett und wird seinem Ruf als jazzrockiger Saitenzauberer voll und ganz gerecht. Das gesamte Konzert changiert an diesem Abend zwischen nachdenklichen, ja meditativen Passagen und spirituell-ätherischen Momenten und solchen mit einer zupackend fetzigen Klangsprache. Gespielt wird im Wesentlichen Material von der neuen Doppel-CD ‚Celebration‘: ‚Hallelujah‘ oder ‚Salám‘ in freier Improvisation oder im zweiten Set nach der Pause ‚Child Song‘ aus der Feder des Pianisten und das atmosphärisch-emotional höchst verdichtete ‚Flow‘ mit umwerfenden Dialog-Parts von Flügelhorn und Gitarre und Cello und Flügelhorn. Oder ‚Nguyén‘, ein irrlichtender klanglicher Irrgarten mit virtuosen Phrasierungen von allen Musikern. „Zurück zur Harmonie“ (Stockhausen) führt ‚There Is Always Hope‘, das Ensemble spielt das langsam getragene Motiv, das von gestrichener Cello-Stimme fortgeführt wird, um zu einem elegischen Gitarren-Solo überzuleiten. ‚Revolution‘ schließlich setzt mit seinem hämmernd-rhythmischen Thema einen Kontrapunkt, entfesselt das Gruppenspiel mit ebensolchen Soli.
Markus Stockhausen erweist sich einmal mehr als herausragender Komponist und feinsinniger Blechbläser mit umwerfender Strahlkraft seiner Flügelhorn- und Trompetenstimme. Seine Mitstreiter sind ebenfalls kongeniale Hochkaräter. Hervorzuheben ist besonders Jörg Brinkmann, der sein Instrument facettenreich in perfekter Abmischung mal als groovenden Kontrabass, mal als singendes Cello und in den gestrichenen Höhen als Violine einzusetzen versteht.
Faszinierend sind die klar definierten Themen der Stücke, die melodiösen und rhythmischen Motive, wie sie im Unisono entfaltet werden und sich in anschließenden Soli mit virtuosen Ziselierungen ausdifferenzieren. Nguyên Lês Gitarrensound passt perfekt zu der spirituell-lyrischen und rhythmisch akzentuierten Klangwelt von Markus Stockhausen , dessen ausschweifende Linien auf seinen Blechblas-Instrumenten der Ausnahmegitarrist gerne aufgreift und zu schier unendlich wirkenden psychodelischen Ausflügen führt.
Der Einsatz von Effektgeräten bei allen Instrumenten dient vor allem dazu, der Musik einen starken Ambience-Charakter zu verleihen. Dies ist mit der räumlichen Outdoor-Akustik nicht ganz einfach zu handeln, vor allem im ersten Set – zumindest in den ersten Zuschauerreihen – wirkt der Halleffekt ein wenig zu dick aufgetragen, besonders Piano, Blasinstrument und Gitarre sind leider zu wenig differenziert zu hören und verschwimmen häufig. Nach der Pause ist der Sound deutlich besser.
Ja, trotzdem ein runder Abend, beseelt von der seelenvoll schwingenden Musik, der Gratwanderung zwischen Jazz, Neuer Musik, Rock und Ambience strebt das Publikum die Anhöhe des Waldfriedens herunter.
Das Konzert der Markus Stockhausen Group auf der JazzBaltica vom 28.06.2024 - in Quartett-Besetzung ohne Lê – kann man in der ZDF-Mediathek nacherleben: https://www.zdf.de/kultur/jazz-baltica/stockhausen-102.html
Am 12. September spielt
Markus Stockhausen
ein Friedenskonzert mit einem großen Improvisationsensemble in der Bochumer Kunstkirche Christ König (s. Jazzkalender)
https://www.markusstockhausen.de/trompeter-musiker-komponist/784/friedenskonzert
Das Doppel-Album der Markus Stockhausen Group ist soeben erschienen. Neben dem genannten Quartett treten Nguyên Lê und als weitere Gastsolisten Tamara Lukacheva (voc), Rabih Lahoud (voc), Mateusz Smosznski (vln), Levan Andria (cello), Bodek Janke (tabla, perc) auf.