Ohrenkino im Schloss Elmau
2. Jazz Summit Club
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Charlie Haden zeigte sich entzückt. Der knorrige und an diesem Abend auch noch ein wenig muffelige Bassist geriet ins Schwärmen, wenn er an das Ambiente dachte, in dem er sich gerade befand. Denn pünktlich zur zweiten Ausgabe des "Jazz Summit Club" hatte sich die Umgebung des Schloss Elmau ihr zauberhaftes Winterkleidchen angezogen. "Lovely", meinte Charlie Haden zwischendurch immer wieder zu der verschneiten Landschaft draußen.
Der Amerikaner, der mit seinem "Quartet West" leicht gejetlagt direkt aus Los Angeles angereist war, um auf Schloss Elmau seine Europatournee anlässlich des 25. Geburtstages des Quartetts zu starten, vergaß seine schlechte Laune wenigstens beim Gedanken an die wundervolle Natur in Oberbayern, in der sich das Schloss Elmau befindet. Musikalisch brauchte sein Quartet West ein wenig, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Aber dann nahm der Vierer Fahrt auf, verwöhnte Ernie Watts mit seinem vollen und erdigen Tenorsaxton, Pianist Alan Broadbent mit seinen lässigen Läufen, Drummer Rodney Green mit seinen präzisen Beats und der Meister selbst, ganz weit hinten fernab von seinen Musikern auf der Bühne platziert, mit seinen zurückgenommenen, so eleganten Pulsschlägen auf dem Kontrabass. "Lonely Woman" oder "Blue In Green" – die beiden Jazzklassiker zum Konzertende wurden so zu großem Ohrenkino.
Ohrenkino hatte auch Joo Kraus zu bieten. Bei seinen "Songs From Neverland" spielen sich automatisch auch Bilder vor dem geistigen Auge ab, sind auf der gleichnamigen CD doch nur Stücke aus dem Repertoire von Michael Jackson zu hören. Mit seinem vorzüglichen "Tales In Tones"-Trio um den Pianisten Ralf Schmid, der zuerst die Idee zu diesem Projekt hatte, durchstreift der Ulmer Trompeter viel Jackson-Hits, um sie einmal ganz anders zu interpretieren. Mit verhangenem Ton auf Trompete oder Flügelhorn, im Tempo drastisch reduziert, mit Blues-Geschmack oder auch mal als ordentlichen Marsch. Großartig, auch weil man den Respekt der Musiker für den Künstler Michael Jackson in jedem Moment des Konzertes spürte.
Das "Thärichens Tentett", die Zehnerbande um den Pianisten Nicolai Thärichen, hat mit Sänger Michael Schiefel nicht nur eine unverwechselbare Stimme in seinen Reihen, auch die so ausgefeilten Kompositionen voller raffinierter, humordurchtränkter Arrangements im Verbund mit den lyrischen Texten sind ein echtes Vergnügen. Und machten diese voller Spielwitz strotzende Musikanarchie zu einem echten Live-Erlebnis. Auch Angelika Niescier und "sublim" sind eine eindrucksvolle Liveband. Vital und getrieben von viel Energie kann die Musik sein und schöpft dabei aus vielen Quellen, die gebündelt zu dennoch eigenen Klangbildern zwischen Komposition und Improvisation führen. Nicht zu unrecht bekam Angelika Niescier in diesem Frühjahr den ECHO Jazz verliehen - allerdings als Newcomer des Jahres National, was sie längst nicht mehr ist.
Ein Newcomer ist auch Dan Berglund nicht. Im Trio "e.s.t." war er mit seinen oft rockigen Bassschlägen eine der prägenden Figuren. Nach dem Tode Esbjörn Svenssons musste sich der Schwede neu orientieren. Mit seinem Projekt "Tonbruket" ist ihm das hervorragend gelungen, wie auf Elmau nachzuhören war. Fest einordnen lässt sich Berglunds Musik dabei nur schwer. Anleihen an Folk, Country und Rock, ja sogar Südsee-Stimmung verbanden sich in Elmau mit elektronischen Klangbearbeitungen. Eine packende Ruhe verströmen viele Songs - und brillieren durch ihre Sounds. Hinreißend vor allem die Pedalsteel-Gitarre von Johan Lindström, die herrliche Kontraste zum tiefen Kontrabass von Dan Berglund schuf. Ein großartiger Schlusspunkt unter die erste Woche des "Jazz Summit Club", der nach kurzer Pause in der kommenden Woche noch die Stimmen von Jane Monheit (2.11.) und Gretchen Parlato (3.11.) sowie das Wolfgang Haffner Trio (4.11.) und das Portico Quartet (5.11.) im Programm hat.