OHNE WORTE!
Alexandra Lehmler Quartet auf Burg Lüttinghof
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
20 Jahre gemeinsame Erfahrung bündeln sich im Quartett der Mannheimer Saxofonistin Alexandra Lehmler. Und die überzeugte beim Konzert von FineArtJazz das Publikum auf der Wasserburg Lüttinghof.
Wie farbenreich klingt diese Band, obwohl sie bei aller Vielgestalt in einem gemeinsamen Wesenskern zentriert ist. Wie rund wirkt das Gefüge, auch wenn die bevorzugten Metren sich nur zu gerne in hohen ungeraden Zahlenwerten versteigen. Vieles beim Alexandra Lehmler Quartett ist genährt von osteuropäischen, manchmal vorderasiatischen Melodien. Die Kunst dieser, seit mehr als 20 Jahren bestehenden Band besteht darin, etwas Eigenes daraus zu formen: Einen beseelten kammermusikalischen, aber gerne auch extrovertierten Worldjazz im weitesten Sinne.
Alexandra Lehmler ist eine starke Stimme auf ihren Hörnern. Gesangliche Himmelsstürme vollführt sie auf dem Sopransax. Erdverbunden mutet der sonore Klang von Tenor- und Baritonsax an. Alles Solistische wirkt aber nie eitel zirzensisch, denn dafür ist jeder Ton organisch mit einem kollektiven Bandideal verwoben. Tief versunken in seine eigene Klangwelt agiert der Gitarrist Federico Casagrande, dessen Soli oder auch manchmal nur einzelne Töne maximale atmosphärische Wucht ausbreiten. Bassist Matthias Debus (übrigens Lebenspartner von Alexandra Lehmler) bereichert all dies mit kraftvollem Tieftonfundamennt, als würden hier Hintergründe für farbig leuchtende Bilder geschwärzt - aber ihm fallen auch beredte Melodien dazu ein. Und was für welche!
Imaginäre Landkarten werden ins Klingen versetzt
Matthias Debus hatte früher auch mal etwas mit Kirchenmusik im Sinn. Auf der Wasserburg Lüttinghof kommt dies zum Ausdruck, als er den gestrichenen Klangkosmos seines Tieftöners mit einer gesungenen Choralmelodie konfrontiert. Im zweiten Teil des Konzertes verlagerte die Band ihren Akzent, jetzt baute sich die Improvierlust der vier hochtalentierten Musikerpersönlichkeiten auf minimalistischeren oder auch rockigeren Mustern auf. Das funktioniert vor allem deshalb so gut, weil Schlagzeuger Patrice Héral ein so begnadet filigraner, bei aller spielerischer Energie auch „sanft“ agierender Rhythmiker ist - sowohl in den vielen Auszierungen und Wendungen der langen Stücke, ebenso in meditativen Soloparts und bei Anklängen an arabische Rhythmus-Stile. Beeindruckend war dies umso mehr, als Patrice Héral mal eben zwölf Stunden Fahrt von seinem Heimatort Montpellier nach Gelsenkirchen hinter sich hatte. (Von Jazzmusikern kann man immer wieder lernen, nicht nur, wenn es um Improvisation, sondern ebenso wenn es um Disziplin und Durchhaltevermögen geht....)