Noch Besser als Aquajogging!
Das Philippe Lemm Trio bei FineArtJazz
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Von Fine Art Jazz eingeladen, machte das niederländisch-amerikanische Philipp Lemm Trio auf seiner weltweiten Tournee auch im nördllichen Ruhrgebiet Station und begeisterte im Gemeinschaftshaus Wulfen-Barkenberg mit virtuoser Spielfreude.
Wer ein Ticket für ein Jazzkonzert gekauft hat, beweist damit ja schon seine Bereitschaft, sich auf musikalische Komplexität einzulassen. (Eine Gebrauchsanweisung dazu steht auf unserer website.) Umso ehrenwerter war es beim Konzert des Philippe Lemm Trios, dass der neue Pianist Sharik Hasan zwischendurch guten Anschauungsunterricht gab. So erläuterte er die verschiedenen Charaktere, welche aus bestimmten, zum Beispiel indischen Tonskalen hervorgehen, stellte dann die verschiedenen Bausteine vor, die dem dann nachfolgenden Stück zu Grunde lagen. Und ja - der Gewinn an Orientierung beim Hören der virtuosen Trio-Nummer war immens.
In vielerlei Hinsicht wusste das Philipp Lemm Trio, aus reichen Einflüssen eine intensive, dichte Interaktion zu zaubern, die nur so leben kann, weil drei Musiker wissen, was sie wollen und ihre Instrumente perfekt beherrschen. Ein Gewinn fürs Erleben sämtlicher Stücke war ebenso, dass Sharik Hassan in einem ausgiebigen, lyrischen Solo seine eigene, reichhaltige Tonsprache vorstellte. Schlank und melodisch, überhaupt nicht kraftmeierisch mutet dieses Spiel an. Mal erinnert eine Wendung an Bach und manchmal schimmern orientalische Farben. So viel individuelle Präsenz färbt auf die zwei Mitmusiker ab. Bassist Jeff Koch zeigte sich vor allem am E-Bass als führungsstarker Melodiker, der sich in die Linien des Pianos einfühlt und diese weiterdenkt.
Dieser Schlagzeuger artikuliert brillant
Philippe Lemm am Schlagzeug ist in jedem Moment ein Musiker mit riesigem Überblick, der die Aktionen der anderen stets antizipiert. So geht Artikulation auf dem Schlagzeug! Zum leidenschaftlichen Höhepunkt trieb die Band ihr Konzert im Wulfener Gemeinschaftshaus schon vor der Pause mit einer Hommage an ihren 2020 verstorbenen Pianisten Angelo di Loreto, was die kreative Energie dieses Gründungsmitgliedes weiterleben lässt.
Schade war, dass die Band manchmal nur punktuell so richtig aus sich heraus ging, um klar zu stellen, was die Drei wirklich drauf haben. Zwischendurch gab es immer wieder reichlich besinnliche Nummern und eine auch in schnelleren Parts etwas geglättet wirkende Diktion. Braucht man dies, um beim amerikanischen Publikum nicht durchzufallen? Viel spannender als eine etwas blutleere Joni-Mitchell-Ballade war zum Beispiel eine Hommage an die bulgarische Volksmusik mit ihrer modalen Melodik und einer pulsierenden Fünfviertelrhythmik. Auch hierfür hatte Sharik Hasan dem Publikum vorher eine gute, kleine Einführung für das verstehende Hören gegeben.
Das Unvorhergesehene integrieren...
Eine etwas dadaistisch anmutende, aber ganz und gar ungeplante Einlage hatte gleich zu Anfang dazu beigetragen, das Publikum locker zu machen: Mitten in das lyrische Spiel der Band schepperte eine Lautsprecherdurchsage, in der von Aquajogging und Wassergymnastik die Rede war. Ein schräger Regieeinfäll, den sich FineArtJazz beim Moers-Festival abgeguckt hat? Nicht ganz: Dass irgend ein digitales Netzwerk, über Mikros, Mischpulte - und eigentlich heute alle Apparate des modernen Lebens - vernetzt sind, war „hellhörig“ geworden, als aus dem benachbarten, zum Dorstener Gemeinschafthaus zugehörigen Hallenbad eine digitale Lautsprecheranlage „dazwischen funkte“.
Wenn Jazz an ungewöhnlichen Orten stattfindet, steht er manchmal vor ganz neuen Herausforderungen, um das Unvorhersehbare zu integrieren…..
Nächster Termin bei FineArtJazz:
Samstag, 19. Februar 2022, Schwarzkaue Schlägel und Eisen
www.publicjazz.de