Nils Wülker
GO im Bhf Langendreer Bochum
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Nach zwei vergeblichen Anläufen konnte Nils Wülker nun am 15. 2. endlich mit seinem Quartett im Bhf. Langendreer in Bochum auftreten. Er wollte vor allem sein letztes Album GO vorstellen - die Spielstätte war ausverkauft!
Die ‚Halle‘, in der das Konzert stattfindet, war bis vor 35 Jahren noch eine ganz normale Schalterhalle eines Bahnhofs. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, nachdem dort so viele Veranstaltungen stattgefunden haben. Manchmal kann man noch die Züge vorbeifahren hören, doch hier spielt inzwischen eine ganz andere Musik.
Das letzte Mal habe ich Nils Wülker und Arne Jansen im Sommer 2020 im Dortmunder Westfalenpark gesehen. Obwohl outdoor gespielt wurde, gab es strenge Corona-Vorschriften. Impfen war noch lange nicht in Sicht und es musste sogar ein Strumpf über die Trompete gezogen werden. Ganz anders heute. Zwar 2G und Maskenpflicht, aber das Publikum sitzt relativ eng auf den Stühlen. Fast alle Plätze sind belegt, oft auch von jüngeren Zuschauern. Das ist schon eine ganz andere Atmosphäre als unter den früheren Auflagen.
- Die Band
Nils und seine Band sind im Moment viel beschäftigt, kurz vorher hatten sie Auftritte in Paderborn, Minden und Coesfeld. GO, Nils‘ 10. Studioalbum, war schon im September 2020 erschienen, konnte aber wegen Corona nicht präsentiert werden. Arne Jansen ist der Gitarrist der Band, kein Unbekannter, denn mit ihm spielt Nils schon sehr lange zusammen. Diesmal hält er sich anfangs zurück, bringt sich aber bei Hybrid und auch danach mit hart gespielten, fast blechern klingenden Soli ein.
Der Keyboarder Albin Janoska kommt aus Wien. Als Groover übernimmt er hier auch den Part des Bassisten, besonders bei Seat 47, wo die Bassline dominiert und er daraus ein längeres Solo entwickelt. Die Überraschung des Abends ist der Frankfurter Drummer Oliver Rubow. Er hat mich an Ches Smith erinnert, der im letzten Sommer in Dortmund mit Marc Ribot‘s Ceramic Dog aufgetreten ist. Er bildet mit seinen präzisen und trockenen Schlägen das Rückgrat der Band, gerade auch, weil kein Bass dabei ist. Zu jedem Nils-Wülker-Konzert gehört ein freies Drum-Solo, das ‚Olli‘ sonst nur selten spielt. Es ist für ihn sehr spannend jedes Mal seiner kurzfristigen Eingebung zu folgen und eine neue Geschichte zu erfinden. Diesmal ist ihm das mit einem langen DrumSolo zu Highline sehr gut gelungen.
- UP – ON - GO
Wer Swing oder Blues erwartet, ist hier falsch. Aber man weiß schon von den vorhergehenden Alben UP und ON, dass hier eine ganz andere Art von Jazz gespielt wird. Das Konzert beginnt mit einem Trompetensolo, sehr ruhig und konzentriert, fast orientalisch klingend. Distorting Time heißt das Stück, ‚Zeit totschlagen‘, und es ist ein Produkt der Coronazeit. Nun, dieses Problem haben wir hier nicht, denn es geht gleich weiter mit The You of Now, auch ein Stück des letzten Albums GO und hier wird es um einiges schneller. Nils wird in der Presse oft als „großer Melodiker“ gelobt, diese Spielart ist sicher ein Markenzeichen, hinzugekommen ist seit den letzten Alben aber auch die Rolle des ‚großen Rhythmikers‘ und da ist mehr Tempo gefragt.
Die beiden Stücke You cannot imagine und The Frame werden verbunden. Das erste Stück stammt vom HipHop inspirierten Album ON, und hierzu könnte wirklich ein Rap gesungen werden. Der Übergang zum zweiten Stück ist kaum zu bemerken, nach einem Trompetensolo spielt Nils synchron mit der linken Hand auf dem Keyboard. Das muss er wohl lange geübt haben.
Nils moderiert sehr sympathisch und informiert über die einzelnen Stücke. Highline hat er mit dem US-Trompeter Theo Croker in größtmöglichem Abstand links und rechts des Atlantiks aufgenommen. Croker kann heute natürlich nicht dabei sein, dafür brilliert Oliver Rubow hier mit einem fulminanten Schlagzeugsolo, das am Anfang an Kesselpauken erinnert, dann in immer neuen Wendungen fortschreitet, aber niemals langweilig wird.
Schon vor der Produktion von GO haben Nils und Arne den Einsatz digitaler Technik erprobt. Beim oben genannten Konzert im Westfalenpark hat mir das gar nicht gefallen. Heute aber ist die Elektronik kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, denn sie wird moderat eingesetzt. Mit dem Looper zum Beispiel kann die Trompete nicht nur als Melodieinstrument fungieren, mit ihr kann Nils auch Flächen produzieren, Passagen wiederholen, filtern und verfremden.
Bei der letzten Zugabe Stripped schließt sich der Kreis. Hier agiert wieder der „große Melodiker“ mit einem langen ruhigen Solo, diesmal auf dem Flügelhorn und mit gelegentlichen Blues Anklängen.
- .. unterm Strich ..
Das Konzert ist sehr abwechslungsreich gestaltet, vielfältig in jeder Hinsicht. Schnelle und langsame Stücke von verschiedenen Alben wechseln sich ab, immer wieder Soli und Call-Response-Sequenzen, vor allem mit Trompete und Gitarre. Wichtig ist mir auch der maßvolle und sinnvolle Umgang mit elektronischer Technik, eine runde Sache!
Nächste Konzerttermine finden im Rahmen von Nils‘ Tätigkeit als Artist in Residence der Monheimer Kulturwerke statt, darüber haben wir bereits in einer News berichtet.
Im April wird Nils‘ neues Album Continuum erscheinen, das er im September mit dem Münchner Rundfunkorchester aufgenommen hat. (s. news)