Neue Freiheit aus der Tradition heraus
Ralf Schrabbe Trio im Museum Hagen
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Ein Jazztrio bietet immer die Freiheit der Improvisation – doch ebenso fordert es höchste musikalische Sensibilität und Interaktion zwischen den Musikern. Das wurde am vergangenen Donnerstag beim Auftakt von "American Songbooks Part I" im ausverkauften Foyer des Emil Schumacher Museums in Hagen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das Ralf Schrabbe Trio, bestehend aus dem Pianisten Ralf Schrabbe, dem Kontrabassisten und Melodie-Virtuosen Uli Bär sowie dem energetischen Drummer Martin Siehoff, entführte das Publikum auf eine faszinierende Reise durch die Tiefen und Höhen des American Songbooks. Wer allerdings ein Repertoire der allzu bekannten Standards erwartet hatte, wurde angenehm überrascht: Schrabbe und sein Trio präsentierten ein höchst originelles Programm, das es in sich hatte.
Diese bemerkenswerte Konzertreihe im Emil Schumacher Museum ist das verdienstvolle Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Förderverein des Museums und dem Kulturverein Westfalen, in dem Uli Bär mit seiner unermüdlichen Netzwerkarbeit maßgeblich beteiligt ist. Es ist dieser Einsatz, der regelmäßig für ein voll besetztes Auditorium sorgt – so auch an diesem Abend. Doch es war nicht nur der Jazz, der die Zuschauer in den Bann zog: Kunst- und Hörgenuss gehen zurzeit Hand in Hand, denn hoch über den Köpfen der Konzertbesucher schimmerte rötlich eine beeindruckende Acrylstruktur, die fast wie eine visuelle Resonanz zu den virtuosen Improvisationen des Trios schuf. Die exquisite Akustik des lichtdurchfluteten Saals kam dem Trio natürlich ebenfalls zugute.
Respektvolle Balance und wagemutige Neuinterpretation
Von Bouncing with Bud über You Are My Everything bis hin zu You’d Be So Nice to Come Home To – die Auswahl bewies eine geschmackvolle Balance zwischen respektvoller Hommage und wagemutiger Neuinterpretation. Besonders bemerkenswert war der kreative Ansatz des Kontrabassisten Uli Bär, der sich nicht darauf beschränkte, die tiefen Grundtöne zu liefern, sondern auch viele der Hauptmelodien auf seinem Kontrabass interpretierte und das in einem atemberaubenden Tempo.
Auch Schlagzeuger Martin Siehoff machte einen hervorragenden Job, um alle strukturellen Grenzen immer wieder zu sprengen. Anstatt sich in traditionellen Rhythmen zu verfangen, öffnete er den Raum für freie, fast formlos wirkende Schlagzeugsoli. Diese Momente waren keine bloßen Soli, sondern Einladungen an seine Mitmusiker, mit ihm in spontane, freie Improvisationen einzutauchen.
Als Kerngeschäft des Programms für diesen Abend erwiesen sich die Eigenkompositionen von Ralf Schrabbe selbst. Schrabbe, der sowohl in Dortmund als auch an der renommierten Juilliard School in New York studierte und seit 1997 am Jazzstudiengang in Leipzig mitwirkt, brachte eine Vielzahl von Stücken aus verschiedenen Phasen seines Lebens mit und klar, dass jedes davon seine eigene Farbe und eigene Geschichte verkörperte. So verzauberte er das Publikum mit einem spritzigen Body Basic, dessen ausgedehntes und rhythmisch komplexes Pianointro sofort gefangen nahm. Hier zeigte sich die ganze Bandbreite von Schrabbes kompositorischer Raffinesse: energisch und verspielt, aber stets durchdacht und fein nuanciert.
Einen ganz anderen Ton schlug er mit dem lyrischen Werk Abschied an, das eine berührende Melodie bereithielt – ein Thema, das sich dann umso wirkungsvoller auf dem Kontrabass von Uli Bär entfaltete. Diese melancholische Ruhe stand in starkem Kontrast zu Sexy, Hot & Loud, einer kraftvollen Komposition, die Schrabbe während seiner Zeit in New York geschrieben hat. Hier bekam Schlagzeuger Siehoff Raum zur freien Entfaltung, was er mit druckvollen und vielschichtigen Grooves meisterhaft ausfüllte.
Den Abschluss des Abends bildete der Jazzstandard Voyage von Kenny Barron, der die musikalische Reise des Trios in elegante, melodische Bahnen lenkte. Der lang anhaltende Applaus des begeisterten Publikums führte schließlich zu einer Zugabe: Mit To Bad Chat, einer Komposition aus Schrabbes Dortmunder Schaffenszeit, klang der Abend kraftvoll und energiegeladen aus. Das Stück erinnerte in seiner Dynamik und Struktur an die große Ära des Art Blakey, was dem Konzert einen nostalgischen, zugleich zeitlosen Schlusspunkt setzte. Das Ralf Schrabbe Trio bewies an diesem Abend, wie kraftvoll, vielseitig und überraschend ein Jazztrio klingen kann, wenn es sich mit Improvisation, Eigenständigkeit und vor allem Spielfreude der Musik hingibt.