Natur-Klang
Markus Stockhausen und Tara Bowmann an der Kolvenburg
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Es ist für Tara Bouman und Markus Stockhausen gleichermaßen wie für ihr Publikum etwas besonders an diesem Sonntagnachmittag: Musik draußen - im Dialog mit der sommerlichen Natur. Für das Paar, das auf Trompeten und Klarinetten improvisiert, hat dies auch irritierende Aspekte. Denn der normalerweise vorhandene umgebende Raum, bevorzugt in Kirchen, produziert viel Nachhall, was verlässliche Rückmeldung und dem eigenen Spiel Räumlichkeit und Größe gibt. Das Musizieren in freier Natur hat andere Bedingungen, die aber auch Chancen für neue, manchmal regelrecht synästhetische Erlebnisse bieten.
Der Auftritt von Tara Bouman und Markus Stockhausen auf einer malerischen Wiese hinter der Kolvenburg wird von zahllosen Vogelstimmen beantwortet. „Die Vögel sind eigentlich die noch besseren Musiker“, kommentiert Markus Stockhausen in nobel untertreibender Bescheidenheit. Jenseits alle künstlerischen Wertungen zwischen Mensch und Tier dürfte zumindest ein gemeinsamer Nenner Gültigkeit beanspruchen: In der Natur wie auch in den Improvisationskonzerten dieses prominenten Duos ist alles so intuitiv wie nur denkbar aus dem Moment geboren.
Markus Stockhausen und Tara Bouman improvisieren ohne vorherige Absprache, geben sich konsequent dem Moment hin. Überraschend ist allein, wie die beiden sich auf Anhieb auf tonale Strukturen und klar definierte Themen und auf klare harmonische Muster einschwören - dort wo andere in wilden Ausbrüchen ihre Ideen vielleicht manchmal etwas zu beliebig in den Raum werfen. Das Gegenteil ist bei diesem Duo der Fall und erzeugt viel entschleunigte Intimität - und ja, auf die Dauer auch das wohltuende Gefühl, dass hier gerade mal etwas die Zeit stehenbleibt. Der Klang von Trompete, Pocket Trumpet und Flügelhorn vereint sich vielgestaltig mit den weit ausholenden Linien von Tara Bouman s Bassklarinette. Daraus erwachsen Dialoge in tiefer Ruhe, aber auch in hellwachem Ideenaustausch. Und bei aller Raffinesse wirkt das Spiel oft verblüffend eingängig. Immer neue vielgestaltige Motive, Themen und Melodien geraten in einen unaufgeregten Fluss. Mal geben pentatonische Skalen die Koordinaten vor, ebenso wie eine minimalistische Lyrik jeder Versuchung, auch nur einen Ton zu viel zu spielen Einhalt gebietet. So können dies nur Menschen, die sich wirklich nahe sind. Sich einander und auch den unablässig singenden Vögeln Raum für freie, leichte Entfaltung geben, darum geht es hier. Draußen spielen heißt immer auch, nicht nur auf sein Gegenüber zu reagieren, sondern ebenso die Außenwelt als imaginäre Partitur ins Kalkül zu ziehen. Dazu gehören an diesem Nachmittag auch mal leise Glockenschläge des Billerbecker Kirchturms.
Auch dieses Open-Air war „aus der Not geboren“ und einfach aufgrund der aktuellen, für geschlossene Räume geltenden Vorschriften die naheliegendste Lösung. Der Gewinn an Erlebniswert, der so gut in die Jahreszeit und die wunderbare Umgebung der münsterländischen Kronenburg passt, gibt dem Wagnis (Wetter als Unsicherheitsfaktor) auf jeden Fall recht.