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Musik, Musik, Musik

36. Festival International de Jazz de Montréal

Montreal, 04.07.2015
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Montreal Jazz Festival

Die Dame an der Passkontrolle bei der Einreise nach Kanada ist ziemlich neugierig. Was man denn in Montreal wolle? Das Jazzfestival besuchen! Ob man denn schon Tickets habe. Und wen man denn überhaupt hören wolle. Bei der letzten Frage muss man schon ein wenig überlegen, denn das „Festival International de Jazz de Montréal“ hat auch in seiner 36. Ausgabe wieder an die 1.000 Konzerte mit 3.000 Musikern aus 30 Ländern im Angebot während der zehntägigen Dauer. Das lockt an die zwei Millionen Gäste in die Metropole im Osten des Landes. Für das Guinness Buch der Rekorde ist damit klar: Dieses Festival ist das weltweit größte!

Trotzdem muss man sich entscheiden, was man hören möchte. Die Brasilianerin Bebel Gilberto steht da ganz oben auf der Liste. Ist die Tochter des legendären Gitarristen, Sängers und Miterfinders der Bossa Nova, João Gilberto, doch schon seit vielen Jahren mit smoothen Songs im Bossa-Style als eigenständige Künstlerin populär. Doch in Montreal startet sie auch stimmlich erst einmal schwach und gibt sich auf der Bühne eine Spur zu selbstverliebt. Auf Tonträger klingt die Brasilianerin auf jeden Fall besser.

Einer, der seine ganzen Qualitäten auch live bestens rüberbringt, füllt am dritten Festivalabend das schmucke „Maison Symphonique“ fast komplett. Der amerikanische Trompeter Chris Botti weiß eben, wie er mit seinen lockeren, humorigen Sprüchen, ein paar Trompeteneinlagen mitten aus dem Publikum gespielt und einem Programm mit Stücken von Miles Davis, Leonard Cohen, aber auch Led Zeppelin ein Publikum komplett um den Finger zu wickeln. Ist Bottis Ansatz berechnend? Natürlich! Aber die Kanadier sind hingerissen von seiner Show!

US-Trompeter Theo Croker hat auch ein paar coole Sprüche auf den Lippen, aber noch viel mehr hat er richtig guten, bissigen Jazz im Programm. Ein junger Himmelsstürmer, von dem man sicher auch in Deutschland noch mehr hören wird.

Wo der afrokubanische Jazz des Trios des kubanischen Pianisten Alfredo Rodríguez vor Virtuosität des Tastenmannes nur so überschäumte, packte die Musik des britisch-skandinavischen Trios „Phronesis“ den Zuhörer mit ihrer Energie und ihren so vibrierenden, quirligen Rhythmen. Ein weiterer Pianist, Robert Glasper, zeigte mit seinem wiedervereinten Akustik-Trio, mit dem er jüngst das hörenswerte Album „Covered“ (Blue Note/Universal) herausbrachte, in einem der schönsten Säle und in diesem Jahr reaktivierten Festival-Spielort, dem Monument National, zwar einerseits, wie genial er Melodien stricken und damit Songs aus Jazz und Pop covern kann. Aber andererseits zog sich der Auftritt auch hin durch Clownereien, coole Sprücheklopferei und ein gefühlt endloses, zudem nicht sonderlich spannendes Solo von Bassist Vicente Archer.

In Plauderlaune zeigte sich auch die Sängerin Molly Johnson in ihrem Billie Holiday-Programm im ausverkauften Club Soda. Aber so lässig die charismatische Kanadierin kleine Anekdoten vom Stapel lässt, so singt sie auch die Lieder von Lady Day, mit einer umwerfenden Nonchalance. Nachzuhören übrigens auf ihrer neuen Klasse-CD „Because Of Billie“ (Universal).

Und dann war da noch der mit Spannung erwartete Auftritt der Soul-Queen Erykah Badu. So eine Stimmung hat man selten in Montreal erlebt. Die Amerikanerin kommt auf die Bühne, und das Publikum schreit und tobt. Einen Querschnitt durch ihre Karriere lieferte die US-Sängerin ab. Cool, lässig, und gespickt mit politischen Anmerkungen. Auch wenn Erykah Badu nichts Neues zu bieten hatte – wie sie ein Soulkonzert kreiert, ist immer noch großartig. Und doch war ihr Auftritt nur ein Höhepunkt eines Festivals, das so viel zu bieten hat.

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