Multiphonics Festival
Bill Frisell, Road to Erbil, Anat Cohen
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Das Multiphonics Festival rund um die Klarinette, fand wieder in den drei Städten, Köln, Düsseldorf und Wuppertal statt. Uwe Bräutigam hat für NRW Jazz großartige Konzerte in allen drei Städten besucht.
BILL FRISELL IN KÖLN – EIN MEISTER DER LEISEN TÖNE
Der Gitarrist Bill Frisell, der mit seiner Band Bill Frisell 4, in der Trinitatis Kirche, im Rahmen des Multiphonics Festivals spielte, erwies sich an diesem Abend als Meister der leisen Töne. Greg Tardy an Klarinette und Tenorsaxophon, Gerald Clayton am Piano und Jonathan Blake am Schlagzeug begleiteten ihn. Der Schlagzeuger Jonathan Blake benutzte während des Konzerts viel die Besen und spielte sehr leise und zurückgenommen, passend zur ruhigen Gitarrenmusik. Er bekam natürlich auch ein Solo, wo er dann aus sich herausgehen konnte. Es gab an diesem Abend in der Trinitatis Kirche viele eindrückliche Momente, etwa wenn Bill Frisell mit seiner Gitarre und Greg Tardy an der Klarinette im Duo spielten, sich gegenseitig die Bälle zuwarfen oder sich kunstvoll und oft nicht ohne Humor umspielten oder wenn Gerald Clayton am Piano brillierte und natürlich das Highlight war das wunderbare Gitarrespiel von Bill Frisell. Ein Konzert bei dem es auf intensives Zuhören ankam, ein Konzert voller Feinheiten und filigraner Gitarrenmusik. Das Publikum nahm die Musik dankbar auf und spendete reichlich Beifall.
ROAD TO ERBIL – JAZZ TRIFFT AUF KURDISCHE FOLKLORE IN DÜSSELDORF
Unter dem Titel “Road to Erbil“ fand in der Düsseldorfer Jazz Schmiede ein außergewöhnliches Konzert im Rahmen des Multiphonics Festivals statt. Musiker*innen aus Europa und aus Kurdistan (autonomes Kurdengebiet im Nordirak) traten gemeinsam auf und schufen eine Atmosphäre, die sowohl tief berührend als auch voller Lebensfreude war. Über die Vermittlung des Goethe Instituts reisten europäische Musiker nach Kurdistan und spielten dort mit kurdischen Musiker*innen zusammen. Nun waren die kurdischen Musiker*nnen zum Gegenbesuch in Deutschland. Alle europäischen Musiker*innen waren zuvor in Kurdistan und kannten die kurdischen Musiker*innen, was am wunderbaren Zusammenspiel und an der freundschaftlichen Atmosphäre zu spüren war.
Der Abend begann mit einem melancholischen kurdischen Klagelied, das die Zuhörer sofort in seinen Bann zog. Die sanften Klänge der traditionellen Instrumente und die eindringlichen Stimmen der Künstler*innen erzählten von Verlust und Sehnsucht. Es war ein Moment, der die kulturellen Wurzeln und die emotionale Tiefe der kurdischen Musik eindrucksvoll zur Geltung brachte. Die Kurden*innen im Publikum konnten sich in den Texten wieder finden, aber es war vor allem die Musik, die eine Verbindung zwischen den Menschen herstellte, unabhängig von ihrer Sprache und ihrer Herkunft.
Ein beeindruckender Moment war als die ursprünglich für einen Gesangspart eingeplante Sängerin
Simin Tander
aufgrund einer Erkrankung nicht auftreten konnte.
Theresia Philipp
übernahm mutig ihren Part und spielte die Gesangsmelodie auf dem Altsaxophon. Diese kreative Lösung verlieh dem Lied eine ganz neue Dimension und zeigte das außergewöhnliche Talent von Theresia Philipp. Ihr Spiel war einfühlsam und voller Ausdruck, und sie schaffte es, die Emotionen des Liedes auch ohne Worte zu transportieren.
Nach dem etwas melancholisch traurigen Auftakt waren die Melodien meist sehr lebhaft und einladend, und das Publikum konnte nicht anders, als mitzuwippen oder mitzuklatschen.
Es gab während des Konzertes viele großartige Momente, wie die Komposition von Gailan Kamaran, der auch herausragende Soli auf der Klarinette spielte, die berührende jüdische Melodie, die Bassist Joscha Oetz einbrachte, das großartige Spiel von Michel Godard am Serpant,die virtuosen kurdischen Instrumentalisten und die drei Sänger*innen Wajeda Khero, Faten Ahmed und Riyad Osman, das brilliante Klarinettenspiel von Annete Maye, besonders in ihrem Stück “Samarkand Silkroad“ und so es ließen sich noch viele weitere Momente aufzählen. Ein Konzert voller instrumentaler und gesanglicher Highlights.
Aber die Interaktion zwischen den Künstler*innen war das größte Highlight des Abends. Sie zeigten nicht nur ihr musikalisches Können, sondern auch eine herzliche Verbundenheit, die die kulturellen Unterschiede überbrückte. Es war ein inspirierendes Beispiel dafür, wie Musik als universelle Sprache fungieren kann.
Die Kombination aus traditionellen kurdischen Klängen und europäischen Jazz Einflüssen schuf eine einzigartige musikalische Fusion, die die Vielfalt und den Reichtum beider Kulturen feierte.
Im letzten Teil des Konzertes bewegten sich die kurdischen Zuhörer*innen in traditionellen Tanzschritten durch den Saal der Jazz Schmiede. Nun wurde das Konzert seinem Titel Road To Erbil gerecht und das Publikum war ausgelassen und freudig in Erbil, in Kurdistan, angekommen.
Besetzung:
Michel Godard – Tuba, Serpent,
Theresia Philipp
– Altsaxophon, Bahez Abbas – Tenorsaxophon,
Annette Maye
– Klarinette, Bassklarinette, Gailan Kamaran – Klarinette,
Jeroen Van Vliet – Piano,
Joscha Oetz
– Kontrabass, Jens Düppe – Schlagzeug,
Dana Muhedin – Tar, Faten Ahmed – Gesang, Riyad Osman – Saz, Gesang, Wajeda Khero – Gesang, Fahad Harbo – Saz, Dastan Rzgar – Kemence, Shad Haidar – Setar, Daf, Reman Salar – Geige
ANAT COHEN QUARTETINHO MIT BRASILIANISCHEM JAZZ IN WUPPERTAL
Das Publikum im Glashaus der Sparkasse Wuppertal erlebte ein musikalisches Fest der Extraklasse mit dem Anat Cohen Quartetinho. Im Rahmen einer Kooperation des Multiphonics Festivals mit dem Jazz Meeting Wuppertal stellte die israelische Klarinettistin Anat Cohen, die mittlerweile in Brooklyn lebt, ihr neues Album „Bloom“ vor und entführte die Zuhörer in die Welt der brasilianischen Musik.
Anat Cohen, eine vielfach ausgezeichnete Künstlerin, beeindruckte das Publikum mit ihrer lebhaften Bühnenpräsenz und ihrem außergewöhnlichen Klarinettenspiel, das sowohl technische Brillanz als auch emotionale Tiefe ausstrahlte. An ihrer Seite spielten drei herausragende Instrumentalisten: Victor Goncalves an Piano und Akkordeon aus Rio de Janeiro, James Shipp an Vibraphon und Percussion aus Kolumbien und Tal Mashiach aus Israel, der sowohl den Kontrabass als auch die Gitarre meisterhaft beherrschte.
Ein besonderes Highlight des Abends war der Titel „Paco“, der dem legendären andalusischen Gitarristen Paco de Lucía gewidmet war. Tal Mashiach brillierte nicht nur am Kontrabass, sondern zeigte bei diesem Stück auch sein großes Können an der Gitarre. Bei einem weiteren Stück verzauberte Victor Goncalves das Publikum mit seinem Akkordeonspiel, das die lateinamerikanische Musikkultur perfekt einfing.
Das Quartett interpretierte auch den Klassiker “Trinkle Tinkle“ von Thelonious Monk, was die Bandbreite der Musik und das Können der Musiker*innen unterstrich. Der Gastauftritt von Mike Marshall auf der Mandoline fügte dem Abend eine weitere spannende Facette hinzu. Der temperamentvolle Choro von Jacob do Bandolim sorgte für ausgelassene Stimmung und ließ das Publikum mitwippen und vereinzelt auch tanzen.
Das Publikum im Glashaus feierte Anat Cohen und ihre außergewöhnlichen Musiker mit begeistertem Applaus. Es war ein abwechslungsreiches Konzert voller Temperament, Kreativität und musikalischer Brillanz. Ein besonderes Erlebnis in Wuppertal!
Drei Städte, drei unterschiedliche Konzerte, drei musikalische Genre, die einen Einblick in die Farbigkeit des Programms des Multiphonics Festival 2024 geben.