Multiphonics Festival 2018
Eric Schaefer – Kyoto Mon Amour / Silke Eberhard & Potsa Lotsa
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Das Multiphonics Festival startet mit zwei anspruchsvollen Konzerten im Stadtgarten:
Eric Scaefer – Kyoto Mon Amour und Silke Eberhard & Potsa Lotsa.
Eric Schäfer - Kyoto Mon Amour
Durch einen dreimonatigen Aufenthalt in der alten Kaiserstadt Kyoto inspiriert, widmet sich Eric Schaefer mit seinem Programm Kyoto Mon Amour der japanischen Musik und verbindet sie mit westlichen Harmonien. Viele kennen Eric Schaefer als Schlagzeuger des erfolgreichen Michael Wollny Trio, aber Schaefer ist nicht nur ein herausragender Schlagzeuger sondern auch Komponist und Arrangeur von Format.
Mit Kyoto Mon Amour taucht er tief in die japanische Kultur ein. Das Eröffnungsstück Shoshu San ist dem Kalligraphiemeister gewidmet, der auch das Cover des gleichnamigen Albums gestaltet hat. Reduktion als Stilmittel der Zen geprägten Kunst findet sich auch in Schaefers Musik wieder.
Das Stück Santoka`s Walk ist dem Wanderpoeten Taneda Santōka (1882-1940) gewidmet, einer der meistgelesenen Haiku Dichter in Japan. Auch Santoka war vom Zen geprägt und lebte als Wandermönch. Ein lyrisches Stück mit einem langen Basssolo als Intro, von John Eckardt mit dem Bogen gespielt. Die einzelnen Instrumente schreiten ruhig daher, so entfaltet Kazutoki Umezu ein sehr eindringliches Klarinettensolo und das Kotospiel von Naoko Kikuchi hat viel Raum. Das Stück steht für Eric Schaefers künstlerisches Leitmotiv, das von Santoka Tanedas Spruch inspiriert ist: „Auf Reisen dies und jenes berühren, die wandelnden Eindrücke des Geistes aufzeichnen.“
Wer würde nicht bei Kyoto Mon Amour an den französischen Film Hiroshima Mon Amour von Alain Resnais denken. Natürlich ist Schaefers Projekttitel vom Filmtitel inspiriert. Er greift auch auf die Filmmusik zurück und hat sie eigenwillig verarbeitet, mit viel erweiterten Techniken an den Instrumenten. Besonders Naoko Kikuchi setzt sie an der Koto ein. Kikuchi ist in der traditionellen Kotomusik ausgebildet und als Mitglied des Ensemble Modern in zeitgenössischer europäischer Kunstmusik geschult. Als Musikerin verkörpert sie so den Brückenschlag von Ost nach West.
Auch in The Dragon Is At Peace werden viele erweiterte Techniken eingesetzt. Schaefer streicht mit dem Bogen über einen Malerspachtel, Kikuchi wischt über die Kotosaiten, so dass ein Rascheln entsteht und Umezu lässt ein Blatt an der Klarinette vibrieren. Aber auch ein sehr zartes Duo von Klarinette und Bass, sowie von Klarinette und Koto gehört zu dem Stück. Es wird die friedliche Stimmung nach einem Taifun beschrieben.
Auch wilde und ausgelassene Stücke werden gespielt. In Kansei – Twoface treffen die Gegensätze aufeinander, festgemacht an der ruhigen Tempelstadt Kyoto und der lauten Hafenstadt Osaka.
Diese Beispiele zeigen wie vielfältig die Kompositionen von Schaefer sind, bzw. wie er kreativ er mit fremdem Material umgeht. Kyoto Mon Amour ist in echtes Meisterwerk, umgesetzt von vier herausragenden Musiker*innen. Ein grandioser Auftakt des Multiphonics Festivals in Köln.
Silke Eberhard & Potsa Lotsa Plus – Eric Dolphy`s Love Suite
Der große Musiker Eric Dolphy, der die Bassklarinette im Jazz salonfähig machte, wollte 1964 in Paris seine Freundin Joyce Mordecai heiraten. Für die Hochzeit komponierte er eine Love Suite. Tragischerweise konnte er dieses Werk nicht mehr beenden, am 29.6.1964 starb er an einer nicht erkannten Diabetis.
Fünfzig Jahre später gab Gunther Schuller, der Berliner Musikerin und Komponistin Silke Eberhard die Love Suite Skizzen, damit sie dieses Werk vollenden könne. Silke Eberhards zweiter Name ist Dolphy, seit Jahren beschäftigt sie sich mit ihm. Sie hat sein vollständiges Werk auf Tonträger eingespielt. Wer, wenn nicht sie, könnte sich an die Love Suite wagen. Mit ihrer Band Potsa Lotsa Plus hat die 2014 das Werk beendet, auf dem Berliner Jazzfest vorgestellt und auf CD eingespielt. Die Kritiker spendeten einhellig Lob. Ein Werk, wie es Eric Dolphy hätte beenden können.
Nun hat Annette Maye Silke Eberhard mit ihrer Band zum Multiphonics Festival eingeladen, die Love Suite dem Publikum zu präsentieren.
Silke Eberhard spielt Altsaxophon und Bassklarinette. Potsa Lotsa Plus ist mit Eberhard ein Septett, drei Holz- und drei Blechbläser mit einem Keyboard und Elektronik Musiker.
Große Besetzung, viele Klangfarben, von wuchtig laut bis zu ruhigeren Solopassagen wird alles geboten, was Blech und Holz zu bieten hat. Ein großer Sprung von der filigranen Musik Schaefers zur kräftigen Blasmusik einschließlich Tuba (Marc Unternährer) und Posaune (Gerhard Gschlößl). Jürgen Kupke spielt Klarinette, Patrick Braun, Klarinette und Tenorsaxophon und Nikolas Neuser Trompete. Antonis Anissegos ist an Keyboard und Elektronik.
Mit Potsa Lotsa erleben wir Avantgardemusik der 60er im 21. Jh. gespielt. Silke Eberhard findet an der Bassklarinette eine ausgewogene Balance zwischen eigener Stimme und dem Geist Eric Dolphys. Die Musiker*innen bewältigen auf das Beste die Herausforderungen von Dolphys Musik mit überlagerten Harmonien und feinen Rhythmusverschiebungen. Durch den Einsatz von Elektronik wird schon deutlich, dass hier ein eigenständiges Werk in der Tradition von Dolphy geschaffen wurde aber kein Retrowerk. Auch die weiteren Stücke, eins so neu, das es noch keinen Titel hat, sind in diesem Geiste komponiert. Ein Ensemble, dass sowohl als Ganzes als auch im Solo-, Duo-, Trio- usw. Bereich hervorragend spielt, egal ob es wilde Kakophonien sind, lyrische Passagen oder melodiöse Tutti.
Ein spannender erster Kölner Festival Abend. Zwei so unterschiedliche, wie ungewöhnliche
Konzerte, auf hohem Niveau, wie wir es von Multiphonics Konzerten gewohnt sind. Großartiger Einstieg.
Weitere Festival Konzerte im Stadtgarten:
04.10.18 Ensemble FisFüz+ Matinier/Shilkloper
Christina Fuchs – Multiphonics Seveb Play Wood4Winds
06.10.18Naqsh Duo Narrante
Norma Winstone Quartett
07.10.18 Paul Heller Invites Anat Cohen feat. Next Level Jazz All Star Big Band
Tickets und Infos:
Am 05.10.18 ist das Festival zu Gast im Dortmunder Domicil.
Infos zu Programm, Musik und Workshops: