Moo Lohkenn
Begeisternde Vokalkunst mit Günter Baby Sommer und Leonard Jones
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Die Vokalistin Moo Lohkenn lädt zu einer außergewöhnlichen Session ein: Mit dem Kontrabassisten Leonard Jones und – ja: - der Jazzlegende Günter Baby Sommer findet in dem Gewölbe der Kunsthallen Rottstr. 5 in Bochum ein kurzes, aber eindrucksvolles Konzert statt. Seit 2005 arbeitet die in Wuppertal und Bochum lebende Gesangskünstlerin mit dem Bassisten zusammen, in der Bochumer Session ersetzt Günter Baby Sommer den Perkussionisten Lou Grassi des angestammten Trios Source Of Sound. Kontrabass und verschiedene Perkussionsinstrumente geben Moo Lohkenn eine schwingende Basis für eine Performance, für die die sprachlichen Zuweisungen der Künstlerin selber wie „Freie Kreative Musik“, „New Free Jazz“, „Archaic Avantgarde“, „Contemporary Song“ oder „Imaginäre Folklore“ zeigen, dass Musik mit sprachlichen Mitteln nur unzureichend zu kennzeichnen ist. Moo Lohkenn setzt sich mit ihrer verstärkten Stimme im Trio durch und erzeugt wundersame stimmliche Improvisationen mit einem ganzen Register an Vokaltechniken, die eine Vielzahl von weltmusikalischen Einflüssen erahnen lassen. Bluesgetränkte Phrasen, scat-ähnliche Staccati, Sequenzen mit mikrotonalen Verschiebungen, Sprachlaute, Wortfetzen – das Spektrum der stimmlichen Performance ist umfassend und für die Zuhörer umwerfend. Dem Bass von Leonard Jones sind eine bluesgetränkte Erdung und die Traditionen der afro-amerikanischen Musik anzuhören, er gibt einen Groove vor, auf den der Drum-Berserker aus Radebeul eingeht und mit einem Feuerwerk aus der perkussiven Kiste erweitert. Überhaupt: Günter Baby Sommer zu erleben, ist ein Ereignis. Sein kraft- und phantasievolles Spiel am Drumset zeigt vollen Körpereinsatz, alles, was er an Perkussionsinstrumenten in die Hände bekommt, wird bei aller körperlichen Energie zu einem äußerst raffinierten Spiel und zu einer pfiffigen Interaktion mit Stimme und Bass eingesetzt. Das ist hoch spannungsgeladen und ekstatisch – und mit einer Prise Humor gewürzt. Geradezu jugendlich wirkt der 71-jährige „Ur-Vater“ des DDR-Jazz, der bis heute unermüdlich als international anerkannter Vertreter des zeitgenössischen Jazz aktiv ist und mit seiner vitalen und freundlich-offenen Art und ansteckenden Lebensfreude ein Vorbild für so manche Vertreter seiner Generation sein könnte.
Nach dem Konzert bekommt man auch eine Kostprobe von der Kommunikationsfähigkeit Sommers, wenn er wortreich und mit großer Verve von früheren Erlebnissen aus DDR-Zeiten, von Musikerkollegen, vor allem von Peter Kowald erzählt. Es wäre eine lohnende Aufgabe für die Geschichtsschreibung des Jazz, dies als oral history aufzugreifen und auszuwerten. Emotional und politisch wird es in dem Gespräch, wenn Günter Baby Sommer von seinem Projekt Songs for Kommeno erzählt, von seinen Kontakten mit dem 700-Seelen-Dorf in Griechenland, in dem ein deutsches Kommando im Zweiten Weltkrieg ein Blutbad in der Zivilbevölkerung anrichtete – wie man weiß, ist dies angesichts der Reparationsdebatte in Griechenland ein hoch aktuelles Thema.
Den 23.8.2015 sollte man sich vormerken: Dann ist der quirlige und wache Musiker mit dem Kommeno-Projekt in Wuppertal zu erleben.