Mit überschäumendem Enthusiasmus
Jacky Terrasson solo im Pfandhaus
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Vera Marzinski (links u. oben) | Gerhard Richter (rechts)
Voll konzentriert lässt Jacky Terrasson die Finger über die Tasten des Flügels im „Alten Pfandhaus“ gleiten. Er ist der Meister des einfallsreichen Klavierspiels, ob bei eigenen oder adaptierten Stücken, die er mit überschäumendem Enthusiasmus seinem Publikum darbietet.
Gnadenlos modelt er Stücke um, lässt aber an unerwarteter Stelle die Grundmelodie wieder einfließen. Ob bei Sonny Rollins „St. Thomas“ oder „Caravan“, den Jazzstandard von Juan Tizol and Duke Ellington. Bei dem nutzt Terrasson erst einmal die Holzverstrebungen des Flügels als Percussioninstrument und dies mit so viel Kraft, dass er dabei das gesamte Instrument verschiebt. Mit einem Lächeln zieht er es wieder auf den Platz zurück und lässt wieder ein wahres Feuerwerk auf den Tasten los. Man kann manchmal gar nicht so schnell gucken, wie er spielt. Dann wieder so ein schelmischer Blick: „was könnte da jetzt passen!?“ - und schon wischt er fast die Töne von den Tasten weg oder zelebriert eine kleine Stille bevor er den nächsten Ton anschlägt. Er ist ein Meister der Improvisation und das mit einer großartigen Spielfreude.
Nach dem ersten Teil des Konzertes im „Alten Pfandhaus“, ist er selbst erstaunt, dass er nur drei Stücke gespielt hat. Die aber mit viel Ausdauer – und für die Zuhörer sehr fesselnd. In „Mirror“ fließt ein „Somewhere over the rainbow“ genau so ein, wie der Klang einer Feuerwehrsirene. Zwischendurch wischt er sich mit einem kleinen weißen Tuch den Schweiß von der Stirn, schüttelt kurz die Hände aus und weiter geht es. Doch das graue Sakko zieht er erst im zweiten Teil aus. In dem hat er ein Einstecktuch fast wie ein Schmetterling drapiert. So federleicht wie dieses Insekt durch die Lüfte schwebt ist auch sein Spiel – auch wenn er sich selbst dabei vollkommen in Rage spielt. Aber es ist so wahnsinnig facettenreich und bunt – wie die Flügel eines farbenfrohen Schmetterlings.
Ob seine Version von „Take the A train“ oder das „The church“ – jedes Stück ist so speziell wie er selbst. Es groovt bei ihm heftig und dabei grummelt, grunzt und summt er teilweise zu seinem Klavierspiel. Man weiß nie, was Jacky Terrasson aus einem Song macht: das Original hat fast grundsätzlich nichts mit dem zu tun, was bei ihm daraus entsteht. Das Klavierspiel von Jacky Terrasson ist immer ein quicklebendiger rhythmischer Fluss mittadellosem Anschlag und brillanter Improvisation. Dass der in Paris aufgewachsene Sohn einer Afro-Amerikanerin und eines Franzosen zunächstklassische Klaviermusik studierte und dann zum Jazz überging zeigt sich in seinem akkuraten Spiel, wobei er jedem einzelnen Stück verblüffende Wendungen gibt. Das lässt den Zuhörer vor sich hin schmunzeln – und genießen.