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Mensch versus Maschine

Stefan Schultzes Large Ensemble spielte die Musik eines großen Synthesizer Pioniers

Düsseldorf, 04.12.2023
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam

Nach über zwei Jahren intensiver Klangforschung und Kompositionsarbeit wurde letztes Jahr “The Buchla Suite – A Handcrafted Tribute To Morton Subotnick“ im Deutschlandfunk aufgenommen. Ein opulentes Werk, das nun auf einer Doppel-CD erschienen ist. Das Stefan Schultze Large Ensemble war auf Record Release Tour mit vier Terminen in NRW, an drei Tagen im Kölner Loft und in der Düsseldorfer Jazz-Schmiede. Musik von großer Bandbreite im Grenzbereich von Jazz, Improvisations- und Neuer Musik.

Es geht um die Erforschung der Prozesse

Bei einem Tribute an den Pionier der elektronischen Musik Morton Subotnick erwartet man eine Bühne voll mit Synthesizern und elektronischen Effektgeräten. Stattdessen waren auf der Bühne der Düsseldorfer Jazz Schmiede nur Instrumente wie Vibrafon, Marimbafon, Saxofon, Trompete, Kontrabass, Schlagzeug und Flügel aufgestellt. Das Stefan Schultze Large Ensemble stellte seine neue Doppel-CD vor und der Titel zeigt schon die Richtung an: "The Buchla Suite – A Handcrafted Tribute To Morton Subotnick". Stefan Schultze hat sich von Subotnicks elektronischer Musik zwar inspirieren lassen, aber seine Musik ist handgemacht, ohne Einsatz von einem Synthesizer. (Siehe Album Rezension). Stefan Schultze wollte mit seinem Werk ausloten, wie die Prozesse elektronischer Musikerzeugung in handgemachte Musik umgesetzt werden können. Wie lässt sich die Arbeitsweise eines Oszillators, eines Sequenzers, eines Filters oder eines Chaosgenerators in einem Kompositionsprozess umsetzen. Es ging nicht um oberflächliches Nachspielen oder Kopieren, sondern um das Erforschen der Prozesse, die der elektronischen Musik zugrunde liegen.

Morton Subotnick hat in seinem Kompositionsprozess einzig mit einer Maschine kommuniziert, während Stefan Schultze in seinem Large Ensemble mit Menschen, mit Musikerinnen zusammenarbeitet. Das Stefan Schultze Large Ensemble ist in diesem Sinne frei nach Joseph Beuys eine soziale Skulptur, die aus herausragenden Musikerinnen besteht. Die aktuelle Besetzung weicht etwas von der Besetzung auf dem Album ab. So ist Jonas Engel statt Leonhard Huhn am Altsaxofon, Els Vonderweyer statt Shiau-shian Hung am Vibrafon, Karl Ludwig Hübsch an der Tuba statt Elena Kakaliagou am Horn und Moritz Baumgärtner statt Tom Rainey am Schlagzeug. Zusätzlich fielen Peter Meyer an der Gitarre und Almuth Kühne Gesang kurzfristig wegen Krankheit aus. Dazu kam noch die notorische Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn, die dafür sorgte, dass Karl Ludwig Hübsch erst zum zweiten Set dabei sein konnte.

Ständig fließen neue Ideen ein

Aber Improvisation wird bei Stefan Schultze und seinem Ensemble großgeschrieben und so gelang es den Musikerinnen trotz der krankheitsbedingten Ausfälle ein spannendes Konzert zu spielen. Bei den aktuellen Konzerten war es Stefan Schultze wichtig, dass alle Musikerinnen einen längeren Solopart spielen. An den drei Tagen im Loft wurde das auch mitgeschnitten und es war Stefans Ziel, die Soli dann übereinanderzulegen. Man sieht schon, dass es keine einfache Albumpräsentation war, sondern bereits neue musikalische Ideen ausprobiert wurden. Auch die Reihenfolge der Stücke des Albums wurde verändert. So wurde das Eingangsstück des Albums "Tripsody" (Hugh Le Caine) erst als fünftes Stück im Konzert gespielt. Eigentlich hätte Peter Meyer hier einen langen Solopart gehabt, der wegfallen musste, aber Els Vandeweyer spielte ihren Part auf dem Vibrafon großartig. Die beiden Saxofonisten Peter Ehwald am Tenor- und Jonas Engel am Altsaxofon hatten jeweils lange Soli. Gleich im ersten Stück brillierte Peter Ehwald und Jonas Engel hatte Soli in "Buchla the Beginning" und in "Shapes". Im letzteren Stück setzte er mit seinem Altsaxofon ohne Mundstück ein. Auch Stefan Schultze und Els Vandeweyer präparierten ihre Instrumente bei einigen Stücken. Karl Ludwig Hübsch, der nach langer Bahnfahrt inmitten von Fußballfans schließlich in der Schmiede eintraf, stieg bei dem Stück "Rauschen" ein und benutzte seine Tuba als Windmaschine. Er übernahm auch einen Part von Almuth Kühne und rezitierte mit großem Gestus ein Gedicht von William Butler Yeats. So geht Improvisation bei herausragenden Profis. Nach stundenlanger Bahnfahrt ins Taxi, nach der Ankunft am Spielort dann ohne viel Federlesen auf die Bühne und direkt ins kalte Wasser gesprungen. Respekt. Es ließen sich noch viele weitere spannende Momente aufzählen, wie die hervorragenden Trompetensoli von Magnus Schriefl, die super Rythmusarbeit von Felix Henkelhausen am Bass und Moritz Baumgärtner am Schlagzeug, die spannenden Beiträge an Vibra- und Marimbafon von Els Vandeweyer und Roland Neffe, natürlich Stefan Schultze selbst am Flügel und vor allem das Zusammenspiel des Ensembles.

"Inputs, die ich mir nicht vorstellen konnte..."

Die Musik des Stefan Schultze Large Ensembles war eine wunderbare Kombination aus notierter Musik und Improvisation mit vielen Aha-Effekten. "Ich will ja gerade, dass sie [die Musikerinnen] mit meinen Ideen wegrennen und mich überraschen. … Ich arbeite gerade deshalb mit anderen Menschen zusammen, weil sie Inputs geben, die ich mir nicht vorstellen kann", so Stefan Schultze. Ob er nun auch überrascht wurde, wissen wir nicht, aber das Publikum wurde auf jeden Fall überrascht. In der "Buchla Suite" gab es keine simple vorhersehbare Musik, sondern immer wieder unerwartete Passagen und Wendungen. Die Musikerinnen spielten voller Engagement und Spielfreude. An verschiedenen Stellen übernahmen einzelne Ensemble-Mitglieder die Aufgabe, die Einsätze anzuzeigen. So präsentierte sich das Stefan Schultze Large Ensemble als ein sehr lebendiger, sich selbst organisierender Organismus. Auch wenn ich das Programm in einigen Teilen bereits letztes Jahr im Kölner Loft (siehe Bericht von 2022 auf nrwjazz.net) kurz vor der Aufnahmesession für das Album gehört habe, gab es auch für mich noch viele Überraschungen zu erleben.

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