Magie der Steigerung

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hat ein symbiotisch agierendes Duo eine spektakuläre Überraschungs-Performance bei der FineArtJazz-Konzertreihe abgeliefert. Nach dem grandiosen Duoauftritt von NoSax NoClar im Gelsenkirchener Kunstraum Norten setzte - diesmal im Schloss Horst - ein französisch-kroatisches Duo bestehend aus dem Pianisten David Tixier und der Schlagzeugerin Lada Obradovic die erfreuliche Serie fort. Der Auftritt der beiden war Teil einer kleinen Tournee durch NRW, die auch ins Dortmunder domicil und in den Kölner Stadtgarten führte. Jetzt geht es für die beiden wieder zurück nach Frankreich und dann weiter nach Thailand und Indien, wo sie zu weiteren Konzerten eingeladen sind.

Auch das gibt es normalerweise nicht bei einem Jazz-Konzert und zeigt, wie vor allem Lada Obadovic ein gutes intuitives Händchen hat, um ihre künstlerische Botschaft sichtbar zu machen: Diese Musikerin ist auch bildende Künstlerin und Modedesignerin - und dementsprechend stand auch ihre eigene Schuhkollektion auf dem Merchandising-Stand im Schloss Horst. Nebst dem aktuellen Album und diversen Vinyl-Editionen, auf die das Duo besonders stolz ist.

Emotionaler Mitteilungsdrang

Jetzt aber zur Musik: Die ist so unmittelbar und selbsterklärend und überwältigt durch ihren emotionalen Mitteilungsdrang, dass es eigentlich kaum noch Inszenierung drumherum braucht. Denn die leichtfüßig versierte Instrumentenbeherrschung des kultiviert aufspielenden Pianisten David Tixier und seiner exzentrisch rhythmisierenden, zugleich tiefenentspannt aktiv zuhörenden Partnerin am Schlagzeug, Lada Obradovic, erzeugt eine mächtig wirkende, musikalische Kraft. Umso stärker, je mehr Kopf und Intellekt eine Pause einlegen und die Sache einfach fließt. Die Stücke bieten – vor allem seitens des Pianos - erstmal viel melodische Wärme auf. Hat dieses Zusammenspiel erstmal Fahrt aufgenommen, brechen melodische Linien auf und geben ostinate Muster und hypnotische Strukturen frei. Lada Obradovic demonstriert im Schloss Horst eindrucksvoll, dass ein Berge versetzendes Schlagzeugspiel überhaupt nichts mit Kraftmeierei zu tun hat. In entspannter, aufrechter Sitzhaltung hinter dem Drumset fließt alles locker aus ihren Handgelenken. Und das hält auch jedem neuen Steigerungsschub mühelos stand. Soundcollagen, impressionistische Klangmeditationen des Klaviers und fragile minimalistische Glockenspielmelodien sorgen derweil für filigrane Kontrapunkte voller Symbolkraft und Poesie.

Auch das Storytelling fehlt nicht

Lada Obradovic und David Tixier haben viel zu sagen. In langen Hintergrundgeschichten erzählen sie, was sie antreibt und welche Empfindungen sie haben, was sie erlebt haben und was im Touralltag passiert. Ein starkes Erdbeben in ihrer Heimatstadt vor einigen Jahren hat Lada Obradovic emotional getroffen. Auch die Auswirkungen der Pandemiezeit schwingen immer noch nach. All dies nährt die Kreativkraft für ihre Livekonzerte auf dieser Tour, das ist spürbar. Im Schloss Horst vereint sich mal wieder alles zum Gesamtkunstwerk, vor allem auch die Verbindung von akustischem mit optischem Raumerlebnis. Die reiche emotionale Palette im Spiel des Duos findet Entsprechung in einer - weiter perfektionierten - Lichtregie. In kaleidoskopische Farbwechsel getaucht, „lebt“ die Renaissance-Fassade der Schlossruine.