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Ludger Schmidt und Thorsten Töpp

Fantasiereise im Kirchenraum

Duisburg, 07.08.2021
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Eine intensive Stunde, die ein ganzes vielgestaltiges Klanguniversum frei setzte zauberten der Cellist Ludger Schmidt und Gitarrist Thorsten Topp in der Duisburger Kirche Sankt Ludger im Rahmen der Abendmusiken, welche nach einer Zwangspause nun endlich wieder regelmäßig stattfinden können.

Bei diesen Konzerten, die in dieser Kirche schon als Freitagabend-Konzertreihe eine vieljährige Tradition haben, wird der neugotische Kirchenraum unweigerlich zum Mitakteur. Vor allem, wenn er so spärlich - wie bei einem Konzert mit ambitionierter Musik üblich - eher spärlich besetzt ist, werden die Nachhallzeiten immens. Diesen Effekt kostete das Duo vor allem mit seinen eigenen Klangkompositionen aus.

Ludger Schmidt und Thorsten Töpp sind als Musiker denkbar open-minded und stehen haushoch über allen Begrenzungen drüber. Sie agieren im Jazz und noch mehr in freierer, improvisierter Musik, sind aber auch in der alten und neuen Kunstmusik bestens zuhause. Der Cellist Ludger Schmidt lässt sich vom frischen kreativen Geist in der Formation "The Dorf" anstecken,wenn es um Experimentierlust auf seinem für ihn maßangefertigten Cello geht.

Thorsten Töpp weiß um die hohe Kunst, klangliche Prozesse zu gestalten - nicht zuletzt auch, weil er bei Wolfgang Rihm und Heiner Göbbels studiert hat. Sein breites Spektrum umfasst Bühnenmusiken, Hörspiele - und immer wieder die freie Improvisation.

Als Thorsten Töpp die ersten feinsinnigen Akkordfolgen aus John Dowlands Lachrymae spielt, flutet das milde Sonnenlicht eines vergehenden Tages durch die bunten Kirchenfenster. Dowlands melancholische Melodienbögen, welche Töpp aus seiner Konzertgitarre perlen lässt, wirken wie eine Einstimmung und lassen zur Ruhe kommen. Eine solche Haltung ist auch notwendig, um aufnahmefähig für das Kommende zu werden.

Zum Instrumentarium der beiden Musiker gehören viele Elektronik-Helfer, Wahwah, Verzerrer und Loopstations, die sich im Verlauf des Konzerts als eigenständige Gestaltungsmittel emanzipieren. In mehrteiligen Stücken wie Ludger Schmidts "Die innere Schwerkraft de eschatologischen Ereignisses" oder in Thorsten Töpps zweiteiligem Werk "Lontain für Cello, Gitarre und Liveelektronik" geht es vor allem um Flächenklänge und repetitive Texturen, aber auch um expressive Emotion durch Klangfarben. Im Zentrum steht das Miteinander aus sich verdichtetenden Arpeggien der Gitarre und einem in alle möglichen Dimensionen verfremdeten und manipulierten Streicherton des Cellos. So etwas setzt in diesem Kirchenraum unglaubliche Wirkungen frei und das Duo weiß auch, diese Klänge in Richtung äußerst definierter Aussagen zu formen - durchaus ist man hier und da an die dunkle Klangmagie eines Terje Rypdal oder auch an den Streichersound bei der Progrock-Band King Crimson erinnert.

Solche befreiten Fantasiereisen bekommen an diesem Abend ihre berührenden Gegenpole: Thorsten Töpp spielt zwischendurch lupenrein und sensibel einen imaginären Theatermonolog von Hans Werner Henze über Romeo und Julia. Ebenso auf die Tugenden eines "sprechenden" Musizierens besinnt sich Ludger Schmidt auf dem Cello - in zwei Sätzen aus Johann Sebastian Bachs Erster Cellosuite. Die ruhige "Sarabande" lässt er nicht allzu ruhig geraten, um hier jeder Romantisiererei aus dem Weg zu gehen - und dafür umso mehr dem Linearen Raum zu geben. Und der schnelle, synkopenlastige Tanzsatz "Gigue" schließt sich mit seinen aufregenden Bordunklängen auf der leeren Saite fast nahtlos an die Klangtexturen der eigenen, zeitgenössischen Stücke dieses Duos an.

Ob die Beschäftigung mit experimenteller Gegenwart die eigene Interpreten-Sicht auf Johann Sebastian Bach verändert habe? Diese Frage an Ludger Schmidt drängt sich nach dem Konzert unweigerlich auf. Nein, es sei umgekehrt - Bachs Genius befeuere eher sämtliche Abenteuer in der Gegenwart - seien dies auch noch so experimentell. Aber Bach war ja auch ein experimenteller Musiker...

Thorsten Töpp und Ludger Schmidt treten auf dem Platzhirsch-Festival nächste Woche auf - zusammen mit der Violinistin Julia Brüssel .

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