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London Calling

EFG London Jazz Festival 2014

London, 03.12.2014
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Bernd Zimmermann

Vom viel beschriebenen Londoner Nebel war in diesen Tagen nichts zu sehen. Klar, es war grau, aber in dieser quirligen Metropole ist davon wenig zu spüren, zumal man sich ja meist unter der Erde fortbewegt.

London im November. Eines der weltweit größten Jazzfestivals geht in diesen Tagen mit 300 Konzerten über 50 Bühnen der britischen Metropole. Da trifft sich alles was Rang und Namen hat: Stanley Clarke, Branford Marsalis, John Surman, Jan Garbarek and The Hilliard Ensemble, Peter Brötzmann, Dee Dee Bridgewater, Abdullah Ibrahim, Bill Frisell, Chucho Valdés, John McLaughlin, Henry Cow, Kenny Barron, Dave Holland, Marcus Miller, Charles Lloyd, Joe Lovano oder Dave Douglas. Und sie kommen aus allen Herren Ländern und nicht selten gleich für mehrere Konzerte, wie z.B. Roy Hargrove, der an zwei Tagen gleich vier Mal im legendären Ronnie Scott's mitten in Soho auftrat.

Ein zentraler Spielort des EFG London Jazz Festival ist das Southbank Centre mit der Queen Elisabeth - und Royal Festival Hall direkt neben dem London Eye am Themse Ufer mit direktem Blick auf Big Ben und dem House of Parliament gelegen. Während John McLaughlin keine 100 Meter Luftlinie entfernt in der Royal Festival Hall aufspielte fand in der Queen Elisabeth Hall eine Gala unter dem Titel "100 years of British Song" statt, bei der die PRS (Performing Right Society), also die britische GEMA, gleich auch ihren 100. Geburtstag zelebrierte. Hauptakteur und launiger Moderator, Ian Shaw. Mit dabei eine illustre Schar von Jazz- und Popsängern wie Claire Martin, Elaine Delmar, Judith Owen oder Natalie Williams. Gefeiert wurde die Jazz- und Pop-Geschichte Großbritanniens mit einem bestens aufgelegten Publikum, wie man es von den Nights of the Proms kennt. Trotz geballter Frauenpower auf der Bühne war aber doch Ian Shaw aber doch der alles überstrahlende Mittelpunkt der Show, der sowohl mit seinem Stimmumfang (4 Oktaven) und seiner unglaublichen Phrasierung alle emotionalen Ebenen beim Publikum ansprach.

Neben dem schier unerschöpflichen Angebot an Jazzkonzerten hat London neben den klassischen Sightseeing-Objekten natürlich jede Menge kulturelle Angebote auf Lager und das in einer der teuersten Städte der Welt erfreulicher Weise sogar kostenlos. So stehen dem kunstinteressierten London-Besucher unter anderem die National Gallery am Trafalgar Square, das Birtish Museum oder die Tate Modern in den Pausen zwischen den Konzerten für einen Besuch offen.

Ein Highlight neben den ganz Großen des Jazzuniversums war sicherlich auch das Konzert von Leszek Mozdzer, Lars Danielsson und Zohar Fresco in der Cadogan Hall im Zentrum von Chelsea. Hier sprühten die Töne nur so aus den Instrumenten, tanzten über die sonst nur klassischen Konzerten vorbehaltene Bühne und infizierten auch hier das Publikum. Die drei Protagonisten präsentierten hauptsächliche Stücke des 2013 erschienen Albums "Polska".

Am Samstagabend hatte man dann die Qual der Wahl zwischen Chuco Valdes, einer 75-Jahr-Feier des Blue-Note Labels, Baba Israel, Gwilyn Simcock und John Etherige, Michal Urbaniak oder Roy Hargrove. Die Entscheidung viel aber auf das neue Projekt von Bugge Wesseltoft, Henrik Schwarz und Dan Berglund, die vor sage und schreibe 3000 Zuschauern im Barbican auftraten. Ein Projekt, das die Stärken eines jeden Einzelnen der Drei vereint. Mal erzitterten unter dem Klanggewitter die Wände des 70iger-Jahre-Baus, wenn Bugge Wesseltoft sein Fender Rhodes mit Schlagzeugstöcken maltretierte oder Jan Berglund seinen Kontrabass kurzer Hand in eine verzerrte E-Gitarre verwandelt, mal ging es fein und leicht dahin. Skandinavischer Electro-Jazz mit feinperligen Zutaten.

So richtig spannend und überraschend geht es in diesen Tagen in London aber in den vielen kleinen Clubs zu, die außer einen Platz im Programmheft ohne weitere finanzielle Unterstützung mit viel Engagement den Großteil des Programms des EFG London Jazz Festival stellen. So im Jazzclub Vortex, im Stadtteil Dalston Kingsland. Nach Ronnie Scott's und Pizza Express die Nummer 3 bei den wenigen verblieben richtigen Jazzclubs in London. Hier trafen sich Jazzmusiker und junges Publikum, um den jungen, wilden europäischen Jazz zu feiern. So duellierte sich die deutsche Formation Hyperactive Kid mit Christian Lillinger, Ronny Graupe und Philipp Gropper mit Kit Downes und seinen Mannen oder die Franzosen des Emile Parisien Quartet mit dem französischen Ausnahmedrummer Sylvain Darrifourcq mit dem britischen Pianisten Alexander Hawkins. Dabei ging so richtig die Post ab. Virtuos, brachial, vital. Neue, heißblütige und ambitionierte Sounds, die die heutige Gesellschaft verblüffend treffsicher in Töne umsetzt. That's real Jazz.

Trotz vieler großer Namen und einer rekordverdächtigen Anzahl von Konzerten, ist im Alltag London's von diesem Festival nicht viel zu spüren. Und bis zu 25 Konzerten pro Tag machen dem Festivalbesucher das Leben schwer. Eines ist aber sicher. Aufgrund der über das ganze Stadtgebiet verstreuten Locations lernt man London von einer ganz anderen Seite kennen. Der Festivalbesucher sollte aber auf alle Fälle eine gute Kondition und vor allem gutes Schuhwerk mitnehmen.

Ach und noch was: Ganze vier Formationen aus Deutschland waren im Programm des diesjährigen EFG London Jazz Festival. Davon ein Act (Peter Brötzmann) aus NRW. Polen war gleich mit 12 vertreten. Woran das wohl liegt?

Und zum Schluss noch ein Tipp: Wer den neuen britischen Jazz entdecken will, sollte sich mal mit dem Katalog des Babel Label beschäftigen. Hier der Link...

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