LIZA DA COSTA & HOTEL BOSSA NOVA
CRUZAMENTO bei FineArtJazz
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Zunächst betritt Bernd Zimmermann (o.r.) die Bühne. Er leitet FineArtJazz und erzählt, dass er gerade aus Bremen von der jazzahead! 2022 zurückgekommen ist. In vielen Gesprächen sei dort deutlich geworden, dass es im Moment um den Jazz nicht gut bestellt ist. Die Zuschauerzahlen hätten sich halbiert und wenn sich da nicht bald etwas ändere, könnte sich bis zum nächsten Jahr auch die Zahl der Veranstalter halbieren.
- CRUZAMENTO ?
Doch dann beginnt die Band mit Ave de Paraíso, dem ‚Paradiesvogel‘. Ich war erstmal irritiert, denn unter ‚Hotel Bossa Nova‘ hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. Ich stelle mich aber darauf ein und merke, dass die Band sich in den letzten 15 Jahren für andere Genres geöffnet und auch den Bossa Nova weiterentwickelt hat.
Es folgen eine Reihe Songs aus früheren Alben: Nao Dou, Estrada Amarela, Bossanomia. Auch das wundert mich, denn das Konzert war mit CRUZAMENTO, dem Titel des neuen Albums, angekündigt worden.
Mit Nao Dou (‚Ich passe hier nicht hin‘) bringt die Sängerin Liza da Costa Erfahrungen ihrer Mutter ein, der es als Portugiesin nicht leichtfiel, sich an die deutsche Kultur zu gewöhnen. Interessant ist Você vom Album Ao Vivo (2009). Es beginnt mit einem langen Intro, das – wie der Gitarrist Tilmann Höhn ankündigt – „nach Piazzolla klingt, aber kein Tango ist“. Und so kommt es auch, sehr melodisch mit mehreren Harmoniewechseln, erst sachte von Bass und Drums begleitet, die dann später mit ihren Soli hervortreten. Você klingt aus mit Scat Singing und Vokalisen von Liza.
Hotel Bossa Nova - Voce - 2018 Live at Das Rind Rüsselsheim
Liza da Costa wurde 1968 als Tochter portugiesisch-indischer Eltern in Rüsselsheim geboren und singt durchgängig portugiesisch. Sie hat eine intensive Körpersprache, die ihren vokalen Vortrag unterstützt. Die Musik der Band ist zweifelsohne viel anspruchsvoller als der legendäre Bossa, denn die Band verfügt über ein vielfältiges Repertoire, auch mit neuen Kompositionen. Ist mit CRUZAMENTO ('Kreuzung') diese Vielfalt gemeint? Die Frage bleibt offen.
Nach der Pause sind dann weitere Stücke der neuen CD zu hören wie Ano Novo, Chegar tao perto und Noite de Cordoba; unter Córdoba hab ich mir allerdings musikalisch etwas anderes vorgestellt. Liza kommentiert sehr rege die Stücke. Sie gibt dabei auch Interna über Konflikte in der Band preis, die da eigentlich nicht hingehören und das Konzert in einem seltsamen Licht erscheinen lassen. Mit Peixino von dem frühen Album Little Fish hatte die Band einen richtigen Hit, der hier frisch-lebendig gut rüberkommt.
- JAZZ Einlage
Die Überraschung des Abends ist eine lange Jazz-Einlage des Trios. Tilmann Höhn beschreibt in "devoter Jazzclubhaltung" (s.u. Video vom Jazzfestival Dresden) den Ablauf einer musikalischen Reise von Afrika über Lissabon nach Brasilien und weiter. Da klingt dann auch Fado an und Liza ist ‚in Brasilien‘ mit einem Song von Jobim wieder dabei. Das Stück endet in einer schnellen, lauten, fast schon rockigen Improvisation, bei dem die E Gitarre voll aufdreht. Bei den Improvisation ist über lange Strecken die Gitarre tonangebend, Alexander Sonntag am Bass und Wolfgang Stamm an den Drums hängen sich dran, aber nur mit wenigen Ideen. Erst gegen Ende bringen sich beide mit eigenen interessanten Soli ein.
HOTEL BOSSA NOVA performing LARGO DE CAMOES live @ Jazzfestival Dresden
Tilmann Höhn spielt vor allem akustische Gitarre im Fingerstyle-Modus, unglaublich flink, manchmal erinnert er mich an Baden Powell. Außerdem scheint er die Band musikalisch zu leiten. Alexander Sonntag am Bass groovt durchgängig mit gleichbleibendem Gesichtsausdruck, nur bei den Soli wirkt er lebendiger. Der Drummer Wolfgang Stamm spielt recht abgeklärt, ihn kann wohl nichts aus der Ruhe bringen. Er ist auch für leisere Töne zu haben und spielt gerne mal mit den Händen auf den Toms oder auf der Hi-Hat.
Doch ich kann mir nicht helfen, irgendwie hatte ich von Anfang an das Gefühl ‚Da ist der Wurm drin‘. Die Band klingt auf ihren Alben bzw. in den Videos einfach viel besser als bei diesem Konzert. Liza macht bei ihren langen Monologen einen ziemlich ‚aufgekratzten‘ Eindruck und, obwohl jeder einzelne Musiker gut spielt, vermisse ich ein einheitliches Klangbild. Gitarre und Gesang sind zwei Pole, die konkurrieren und manchmal nicht zusammenkommen, auch wenn sie unisono sind. Woran das liegen mag, kann man nur spekulieren. Die hier eingebundenen Videos zeigen jedenfalls, dass die Band es viel besser kann.
Nächste Konzerte in NRW:
19. August: Burg Vischering in Lüdinghausen
22. September: Maxhaus in Düsseldorf