Bild für Beitrag: Live Remix als Konzept | Punkt 2017
Bild für Beitrag: Live Remix als Konzept | Punkt 2017
Bild für Beitrag: Live Remix als Konzept | Punkt 2017
Bild für Beitrag: Live Remix als Konzept | Punkt 2017

Live Remix als Konzept

Punkt 2017

Kristiansand, 06.09.2017
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Petter Sandell

Kalt kann die letzte August-Nacht in Norwegen sein. Und wenn dann noch der Wind durchzieht in den nur unzureichend überdachten Garten des kleinen Lokals Vaktbua, dann kann es schon irgendwie ungemütlich sein. Das norwegische Quartett „Rohey“ aber erwärmte am Auftaktabend des dreitägigen PUNKT-Festivals schnell das dicht um die kleine Bühne stehende Publikum mit ihrer erfrischenden Neo-Soulmusik, die von einem Jazzfunk-Trio ihren mächtigen Antrieb bekam. Die drei Jungs, die Sängerin Rohey Taalah um sich geschart hat, sehen aus wie eine Schülerband, grooven aber wie alte Hasen.

Das Großartige an dem PUNKT-Festivalkonzept des Live Remixes ist, dass ein eher anstrengendes Ausgangskonzert sein volles Potenzial manchmal erst im anschließenden Remix erfährt. Auf das erstmals live auf einer Bühne agierende Duo von Sidsel Endresen und David Toop traf das sicher zu. Dass die Norwegerin eine begnadete und besondere Sängerin ist, steht außer Frage. An diesem Abend jedoch dominierte das experimentelle Erzeugen von allerlei Geräuschen mittels ihrer Stimme. Und das Ganze wurde eher langweilig und gedanklich langsam begleitet und kommentiert vom britischen Schriftsteller, Musikjournalisten und Musiker David Toop. Doch dann kam der Remix von den beiden Festivalgründern Jan Bang und Erik Honoré, im Verbund mit Gitarrist Eivind Aarset, Bassist Mats Eilertsen und Drummer Anders Engen, die die magischen Momente des zuvor Gehörten geschickt herausfilterten, um sie dann in ihren ureigenen, faszinierenden Soundkosmos einzubauen.

Dass aber auch ein Remix mal in die Hose gehen kann, musste der diesjährige Artist in Residence erfahren. Denn eigentlich wollte Daniel Lanois, berühmter Musiker und Musikproduzent, der mit U2, Brian Eno oder Bob Dylan arbeitete, mit seinem Trio den Klasse-Auftritt des australischen Kulttrios „The Necks“ remixen. Doch unter anderem wegen Problemen mit der Technik wurde daraus eine nur etwa zehnminütige, ziemlich beliebige Rockperformance. Auch das Konzert mit dem Trio des Kanadiers und seiner lauten, irgendwie nach Vorgestern klingenden Rockmusikund einer Spur Dub war sicher keiner der Höhepunkte der bereits 13. Ausgabe dieses einzigartigen Festivals. Dass dann im Lanois-Remix wieder seine Einzigartigkeit und Genialität zeigte. Die gesungenen Liedzeilen einfach als gesprochenen Text zu rezitieren, darauf muss man erst einmal kommen. Mit der ersten Remixer-Garde mit Jan Bang, Erik Honoré, Eivind Aarset, Arve Henriksen und Audun Kleive entstand aus dieser Bearbeitung ein völlig neues, eigenständiges, faszinierendes Musikwerk.

Weitere memorable Momente von PUNKT 2017: Die Live-Präsentation von Arve Henriksens, beim norwegischen Label Rune Grammofon erschienenen CD „Towards Language“. Einfach wunderschön, atmosphärisch, dicht! Und Erik Honorés Seminar mit dem Titel „Recording turbulence“. Denn das ging unter die Haut. Nicht nur wegen der Soundbeispiele, die viel Neugier erweckten auf die beiden neuen, fantastischen Platten, um die es in diesem Seminar ging. Sondern auch, weil Honoré sehr persönlich von seinen Gefühlen sprach bei der Produktion seines neues Soloalbums „Unrest“ (Hubro) und dem Duoalbum „Tuesday Gods“ (Jazzland), das er mit seiner Frau, der Sängerin Greta Aagre eingespielt hat.


Suche