Kulturhighlight der Saison
24. Hürther Jazznacht
TEXT: Dr. Michael Vogt | FOTO: Jazzclub Hürth e.V.
Mit der 24. Hürther Jazznacht fand eines der absoluten Highlights der städtischen Kultursaison statt. Auf das Publikum, das bereits vor Einlass in langer Schlange vor dem Bürgerhaus stand, warteten zehn Formationen an sechs Spielorten. Eine Fülle, die den Gästen beherzte Entscheidungen abverlangte, wenn sie in sieben Stunden alle Bands sehen wollten. Bereits im Foyer wurde das Publikum von der Kölner Formation «Cologne Jass Society» mit traditionellem Oldtime Jazz in Stimmung gebracht. Bestens gelaunt und beeindruckt zeigte sich auch Dirk Breuer, Bürgermeister der Stadt Hürth: „Die Jazznacht ist ein wichtiges Event im Hürther Kulturkalender. Der Jazzclub hat mit Zugpferd Götz Alsmann und anderen Künstlern ein wirklich attraktives Programm zusammengestellt“, meinte Breuer anerkennend und fügte hinzu: „Ehrenamtliches Engagement ist wichtig für die Kultur. Es ist beachtlich, wie der Jazzclub mit viel Herzblut neben seinen ohnehin ambitionierten Veranstaltungen ein solches Großereignis auf die Beine bekommt.
Gegen den Strich gebürstet
Zum Start des Hauptprogramms begrüßte Günter Reiners, Vorsitzender des Jazzclubs Hürth e.V., um 20 Uhr im großen Römersaal herzlich das Publikum, bat jedoch die Anwesenden zunächst um eine Schweigeminute für den am Freitag zu Grabe getragenen Peter Schmitt-Sausen. Mit ihm trauert der Jazzclub um einen Freund, Mitbegründer des Vereins und Initiator der Jazznacht. Da aber auch beim Jazz die Show weitergehen muss, gab Reiners danach die Bühne frei für den ersten Höhepunkt des Abends. Das von Klezmer-Klarinettist Helmut Eisel und dem Sebastian Voltz Trio gebotene Programm «Talking Sinatra» ist eine Hommage an einen der größten Sänger und Entertainer des 20. Jahrhunderts, der zwischen italienischstämmigen und jüdischen Familien im Kneipen- und Gangstermilieu der Kleinstadt Hoboken aufwuchs. Klassiker wie «I’ve Got You Under My Skin» wurden mit exzellentem Ensemblespiel gegen den Strich gebürstet. Eisel ließ seine Klarinette rau und sexy wie ein Saxofon klingen, um kurz darauf schluchzend, zeternd, lachend und jubelnd virtuos in die Welt des Klezmers einzutauchen. Für einen besonderen Auftritt bat Eisel Schülerinnen und Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums auf die Bühne, mit denen er auf Initiative des Jazzclubs am Tag zuvor einen Workshop zum Thema Improvisation durchgeführt hatte. Zusammen interpretierten die Gymnasiasten und die Profis ein Stück, in dem Eisel die Heranwachsenden ermutigte, im Wechsel mit ihm improvisierte Soli zu spielen, die sie sich 48 Stunden zuvor wahrscheinlich nie und nimmer zugetraut hätten.
Perfekt inszenierte Show
Im Anschluss wurde das Publikum im Römersaal Zeuge einer perfekt inszenierten Show von Stargast Götz Alsmann und seiner Band. Der aus Radio und Fernsehen bekannte Pianist, Sänger und Moderator entführte mit seinem Programm «... in Rom» in die Welt des italienischen Schlagers der 1950er und 1960er Jahre. Dabei nahm er eine explizit teutonische Perspektive ein, wenn er sich konsequent für die zeitgenössischen, deutschsprachigen Texte von Hits wie «Ciao, ciao bambina» oder «Mambo Italiano» entschied. All diese bekannten Stücke wurden in hochglanzpolierten, kulinarischen Arrangements serviert. Gesten und Moderationen, mit denen Alsmann die Nummern garnierte, platzierte der Routinier auf den Punkt und zeigte sich damit als geschliffener Unterhalter und musikalischer Perfektionist, der die Herzen des Publikums im Sturm eroberte.
Gleichzeitig hatten Musikfans die Gelegenheit, in der Gastronomie die junge Gruppe «Durch&Durch» zu hören, die mit frischem Pop und deutschen Texten eine vollkommen andere Note in das Programm der Jazznacht brachte. Im Clubraum konnte man den ebenfalls deutschsprachigen Liedern des Pianisten und Sängers Andy Houscheid lauschen. In seinen so emotionalen wie tiefsinnigen Popsongs kreierte er mit samtiger Stimme und fein abgestimmten, atmosphärischen Nuancen träumerische Stimmungen. Im Anschluss konnten sich die Hürther auf ein Wiedersehen mit dem Duo Adam & Sabine freuen. Auch diesmal wurde das Publikum, das reichlich Gelegenheit zum Mitmachen bekam, auf eine faszinierende Reise durch musikalische Stile und Sprachen mitgenommen: Von japanischen Bossa-Nova-Impressionen über eine sympathische Interpretation von «Sweet Dreams» (Eurythmics) bis hin zu Raffertys verteufelt anspruchsvollem Gitarren-Solo «Billie Jean» (Michael Jackson), bei dem er den Sound eines ganzen Jazz-Quartetts nachahmte – magisch!
Regelrechter Hexensabbat
Im Römersaal konnte man sich mit dem Quartett «superfro» auf eine furiose und sehr unterhaltsame Reise durch die ensembletypische Symbiose aus jazzigen Harmonien, Dancefloor-Beats und Latin Flavour begeben, bei denen der Fokus auf dem klanglichen Gesamtbild von Kompositionen wie «Spooky Tunnel» und «Innehalten» lag. Umso klassischer das, was die junge Formation «The Dudes Quartett» bis Mitternacht rund um den Trompeter Ferdinand Schwarz in der Gastronomie bot. Die Dudes präsentierten Jazzstandards, Titel der 1920er oder swingende Nummern aus den Achtzigern, die mit frischen Ideen und spannenden Akkordfarben unbefangen interpretiert und neu gehört wurden: musikalisch definitiv ein Glanzpunkt des Abends. Wer bis dahin noch nicht genug hatte, konnte zwischen zwei energetischen Band wählen, die bis in die Morgenstunden den Musikfreunden einheizten. Wahrlich keine einfache Entscheidung! Vor der Theke brachten «La Mojarra Calavera» mit rheinländischer Energie, karibischem Flair, lateinamerikanischen Rhythmen sowie Einflüssen aus Son, Rumba, Cumbia, Merengue, Cha-cha-cha und Bolero die Stimmung zum Kochen und die Jazzfreunde zum Tanzen. Auf der Bühne des Römersaals entfesselten derweil «Jin Jim» einen regelrechten Hexensabbat. Das vom Querflötisten Daniel Manrique-Smith angeführte Ensemble zeigte seinen von Rock, Fusion, Latin, Folk, Electro und Weltmusik geprägten, absolut urbanen, athletischen Sound, der seine Farben wechselte wie ein Chamäleon und sich doch stets treu blieb. Mit enormer, technischer und rhythmischer Virtuosität zelebrierten die vier Musiker gewagte Pausen, präzise Tempomodifikationen und überraschend einschlagende Trugschlüsse, die viele Besucher begeisterten: „Ich bin wirklich froh, dass ich noch so lange geblieben bin“, meinte ein junger Musikfreund aus Köln, der noch einen langen Heimweg mit dem Fahrrad vor sich hatte, zum Auftritt der Truppe. „Diese absolut verrückte Band ist für mich der Höhepunkt der Hürther Jazznacht. Grandios!“ Auch der Jazzclub zeigte sich zufrieden mit dem Konzept: „Mit einem Programm, das auch ein wenig über den Tellerrand geblickt hat, konnten wir das Publikum überzeugen“, ließ Vorsitzender Günter Reiners nach kurzer Nacht am Sonntagmorgen wissen. „Auch die Verkaufszahlen haben unsere Erwartungen voll erfüllt. Und natürlich sind wir stolz darauf, dass Götz Alsmann uns in Hürth besucht hat und gerne wiederkommen möchte. Man sieht an der begeisterten Reaktion unserer Besucher, dass Hürth Kultur braucht und unser Konzept des ehrenamtlichen Engagements für die Kultur richtig ist. Entsprechend arbeiten wir schon ab morgen mit Hochdruck nicht nur an der nächsten Saison, sondern auch an der Jazznacht 2020. Denn beim Jazz ist es wie beim Fußball: nach der Jazznacht ist vor der Jazznacht!“