Künstlerische Konsequenz
Markus Stockhausens Quadrivium in Gladbeck
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der Vater hat mit kühner Avantgarde die Musikgeschichte des 20.Jahrhunderts revolutioniert – der Sohn ist ein empfindsamer Melodiker, dem vor allem die Emotionen seines Publikums am Herzen liegen. Was der Komponist Karlheinz Stockhausen und sein Sohn, der Trompeter Markus Stockhausen auf jeden Fall eint: höchste künstlerische Konsequenz bei dem, was sie tun.
Was Markus Stockhausen an emotionaler Reichhaltigkeit in seiner Musik verkörpert, welche melodischen und klangsinnlichen Einfülle bis in letzter Konsequenz auf der Bühne gelebt werden – das fällt beim Cellisten Jörg Brinkmann, beim Schlagzeuger Christian Thomé und beim Pianisten Angelo Comisso auf denkbar fruchtbaren Boden. Das war hörbar, ja hautnah erlebbar im etwas verwunschenen Ambiente des Magazins in Gladbeck, einem ehemaligen Industriegebäude, das heute der Künstlerin Susanna A.Schalz als Atelier dient.
Stockhausens Trompetenton strahlt vor sensibler Empfindung - und behält auch bei druckvoller, manchmal fast rockiger Gangart immer noch eine Prise Zartheit. Lange, weitgespannte Melodienbögen sind ein großes Thema bei ihm und seinen Mitstreitern.Vor allem Jörg Brinkmann erweist sich mit seinem einzigartigen Cellospiel als sphärischer und bei aller Virtuosität immer höchst feinfühlig bleibender Gegenpart. Beide machen viel Gebrauch von der Elektronik, aber es geht dabei nicht um Verfremdung, höchstens um mehr Hall und Raumgebung. Oder vielleicht mal um die Trickreiche Spiegelung es eigenen Spiels in einer virtuellen Nebenstimme in polytonaler Reibung. Auch mit Schlagzeuger Christian Thomé zeigt sich in dieser Band ein weiterer Musiker, auf den in allererster Linie das Attribut „empfindsam“ zutrifft. Unter die Haut geht etwa, wie er minutenlang allein mit der Snaredrum zarte Mikrorhyhtmen zu atmosphärischen Teppichen verdichtet, auf deren Grundlage Jörg Brinkmann seinem Instrument einen entrückt-melancholischen Sologesang entlockt. Und mit Angelo Comisso macht ein Pianist die Runde komplett, der nie einen Ton zu viel braucht, um trotzdem auf den Punkt zu kommen.
So wird das Publikum im ausverkauften Hause auf imaginäre Reisen geschickt. Mal werden Choralmelodien oder romantisch angehauchte Themen zum Sprungbrett für freigeistige, aber nie eitel ausufernde Improvisationen, mal sind es rare Kompositionen aus der Musikgeschichte, welche zur Quelle gemeinsam ausgelebter spielerischer Fantasie werden. Das mutet manchmal balladesk und meditativ an und im nächsten Moment wieder jazzrockig und treibend. Ausgefuchste, nie dem Zufall überlassene Klangästetik ergibt sich ohnehin von selbst, wenn derart prominente Charaktere auf der Bühne ihre Arbeit aufnehmen. Und obwohl das neue Album „Far into the stars“ heißt, besteht nie die Gefahr, abgehoben zu sein. Diese Haltung wird im Gladbecker Magazin auch durch die Zugabe bekräftigt, die ein echter Blues war.