Krankophonie
Trio KRANK in der Kunstwerkstatt Gereon Leppers
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Wirklich ungewöhnlich, diese neue Formation aus dem Kölner Musik-Biotop: KRANK – bei ihrem „Jungfern“-Auftritt zu erleben an einem ebenfalls ungewöhnlichen Ort: auf dem Gelände der Hattinger Henrichshütte hat Gereon Leppers seine übrigens unbedingt sehenswerte Werkhalle für die temporäre KRANKen-Station geöffnet. Eine kleine, mutige Fangemeinde findet sich ein, um zu erfahren, was das ist: „Psycho Metal Death Jazz“. Die Besetzung des Trios gibt schon ein wenig Aufschluss darüber, verzichtet wird trotz des Metal-Bezugs auf Saiten jeglicher Art, den Rhythmuspart übernimmt neben dem Schlagzeug ein, ja: Bass-Saxophon!
Auf ärztlichen Rat hin wollen die drei Musiker inkognito bleiben: Das Tiefton-Monster bedient Dark D. Darko, Max I. Milian traktiert die Keyboards und den Sequenzer und vor allem mit seinem KRANKhaften Gesang mit ebensolchen deutschen (!) Texten die Hörbahnen und Geschmacksnerven seiner Zuhörer, Ralle G. hämmert dazu auf den Drums.
Musikalisch-stilistisch bewegt sich das Trio mit Titeln wie „Mund auf, Augen zu“ (Achtung: man stelle sich einen Besuch beim Zahnarzt vor), „Suizid“ und „Schwarzes Loch“ (beide Titel tiefschwarz) und „Fundamentalontologie“ (Heidegger lässt grüßen) in einem Raum von Metal, Rock und Free Jazz, Frank Zappa hätte seine Freude, aber auch John Zorn könnte sich über die Zitate und Paraphrasen bis nah zum Rand der Persiflage köstlich amüsieren. Natürlich tummeln sich die drei auch im Jazzidiom, wenn Rammstein entsprechend balladesk umspielt wird, oder Hinrich Franck (die Musiker seien hiermit geoutet) ein entsprechendes Piano-Solo einlegt und intelligent jazzig einen Techno-Groove aufarbeitet. Vor allem Dirk Raulf – ein Mitglied des rührigen „einzigen Bass-Quartetts des Universums“ Deep Schrott – schlägt mit einem minutenlangen Solo mit stupender Zirkularatmung am Bass-Saxophon (!) die Zuhörer in den Bann, gelingt ihm dabei doch neben der perfekten Beherrschung dieser Blastechnik auf mindestens drei Ebenen Gleichzeitiges: mit den Klappen-Geräuschen erzeugt er den Rhythmus, mit tiefen Tönen seines Instrumentenjumbos den Bass-Groove und gleichzeitig mit Überblastechniken und Obertönen ein Dauerarpeggio. Ansonsten verstärkt er mit repetitivem Bass-Groove das Spiel von Ralf Gessler an den Drums, oder er demonstriert, wie gefühlvoll balladesk auch ein Bass-Saxophon klingen kann.
Die Texte von Hinrich Franck sind richtig schlecht, das wird in selbigen auch mitunter genussvoll thematisiert, der Reim passt irgendwie, die Bildlichkeit schon deutlich weniger. Die Texte – und ihre Performance – sind damit schon wieder richtig gut: eben krank, schwarz, makaber, erfrischend anarchisch, gekonnt schief à la Heinz Erhardt.
Das Jungfern-Konzert hat richtig Spaß gemacht, man wünscht KRANK auf keinen Fall Gesundung. Vielleicht kann man nicht so weit gehen zu behaupten, dass ein neues Sub-Genre des Jazz geboren ward und die Jazz-Geschichte mit Psycho Metal Death Jazz eine neue Richtung einschlüge, aber das Trio zelebriert eine intelligente Musik mit hohem Spaßfaktor.
Weitere Informationen
www.dirkraulf.de
Kontakt: mail@deadcologne.de