Klug zusammengestellt
Nida Jazz Maratonas
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Remigijus Mockus
Leonid Shinkarenko ist ein wahrer Glückspilz. Ein paar Tage zuvor präsentierte sich die litauische Ostsee-Küste im Hochsommer so gar nicht der Jahreszeit entsprechend. In Palanga, nur unweit von Klaipeda entfernt, dem auf Deutsch Memel genannten Ort, der bis 1920 nördlichste Stadt Deutschlands war, wabert Nebel wie im herbstlichsten London durch die Straßen, mit den entsprechenden Temperaturen. Doch plötzlich, pünktlich zu Beginn der zwei Open Air-Tage des dreitägigen „Nida Jazz Maratonas“, rückt strahlender Sonnenschein und schönstes Wetter das angesagte Touristenörtchen auf der Kurischen Nehrung in sein schönstes Licht. Und schön ist es in Nida, wo schon Thomas Mann Anfang der 1930er Jahre ein Sommerhaus hatte, dessen Besichtigung eine Touristenattraktion ist. Schön ist auch der „Nida Jazz Maratonas“, der in diesem Jahr zum 13. Mal stattfand. Ist die Open Air-Festivalbühne doch direkt am Hafen aufgebaut, mit Blick auf das Kurische Haff.
Das Programm seines Festivals hat Leonid Shinkarenko, in Vilnius beheimateter Jazzbassist, einmal mehr klug zusammengestellt. Und dabei Überraschendes hervorgezaubert. Etwa die Band „Django Lassi“. Die Multi-Kulti-Truppe aus Berlin begann einst als von Django Reinhardt inspiriertes Trio und der Swing Manouche des Belgiers ist immer noch deutlich spürbar und Basis der Musik Doch längst hat das Sextett seine Musik erweitert, Klezmer und wilde Balkanklänge hinzugefügt. Ein wenig brauchen die Jungs in Nida, um auf Touren zu kommen. Doch spätestens als Geiger Roland Satterwhite mit dem Singen beginnt und die Rhythmen treibender werden, steigt die Hitze auf der Bühne und im Publikum. Zwei Zugaben müssen die Berliner am Ende geben.
Die Musik des „Labutis Jazz Quartet“ mit der Sängerin und Flötistin Neda Malunaviciute ist dagegen nicht so leicht konsumierbar. Höchst expressive und sperrige Momente hat der litauische Saxofonist Vytautas Labutis immer wieder in die Stücke seiner live beim Festival vorgestellten neuen CD „Sounding City“ eingebaut, die auf der anderen Seite durch balladeske Töne und rockige Grooves aber auch einen wunderbaren Fluss bekommen. Es ist das Spiel mit diesen Kontrasten und mit bunten Klangfarben, auch von der ausdrucksstarken Gesangstimme von Neda, die den Reiz dieser Band ausmachen. Den besonderen Reiz des Auftritts des „Morten Schantz Trios“ lag sicher an der Beteiligung einer marokkanischen Tänzerin. Ein Klaviertrio und Bauchtanz – der dänische Pianist Morten Schantz hat sich von Rabab Aomari, die inzwischen seine Ehefrau ist, auch musikalisch inspirieren lassen. Schon jetzt ist der arabische Einfluss in dem spritzigen Modern Jazz der Dänen zu spüren. Im Herbst kommt dann die neue, mit marokkanischen Musikern eingespielte CD. Auf der Bühne ist der Bauchtanz allerdings hübsches, sehr nett anzusehendes Beiwerk, mehr aber nicht.
Mit der stimmgewaltigen amerikanischen Jazzröhre Eve Cornelious, die zusammen mit dem spielfreudigen Jazz-Quartett des russischen Tastenmannes Leonid Vintskevich und des US-Drummers Joel Taylor auftrat, endete der diesjährige Nida Jazz Maratonas. Ein Jahr lang ist Nida nun wieder Touristenort, aber einen Besuch trotzdem immer wert.