Kleiner Ort mit viel gutem Jazz
Bericht vom Outreach Music Festival
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Dino Rekanovic, Herbert Höpfl & Gottfried Simbriger
Ja, Schwaz ist klein. Knapp 15.000 Einwohner. Aber der 30km östlich von Innsbruck gelegene und vom Karwendelgebirge eingerahmte Ort hat eine lange Geschichte und zählte zur Blüte des Bergbaus im 16. Jahrhundert zu einer der größten Bergbaumetropolen der Zeit, war nach Wien die zweitgrößte Ortschaft im Habsburgerreich. Vor allem das Silber hat Schwaz so wertvoll gemacht. Seit 33 Jahren nun veranstaltet der Tiroler Trompeter Franz Hackl, der längst in New York seinen Hauptwohnsitz hat, in seiner „Silberstadt“ genannten Heimat das Outreach Music Festival, das mehr sein will als nur ein Ort für Konzerte und somit auch Workshops und Masterclasses im Angebot hat. Mit dem ebenfalls aus Tirol stammenden Bassisten Clemens Rofner hat Hackl seit ein paar Jahren einen Partner an seiner Seite, der den Gedanken eines inderdisziplinären Festivals mitdenkt.
Und ausgedacht haben sich die beiden zur Corona-Zeit etwas. Da damals zeitweise nur ein Konzert pro Abend erlaubt war, stellten die Outreach-Macher einfach gleich alle drei Bands des Abends auf die große und breite Bühne des Hauptspielortes SZentrum. Und ließen sie nacheinander jeweils 20-minütige Sets spielen. Dieses Konzept der Dauerrotation, bei der alle beteiligten Musiker stets auf der Bühne blieben um den Kollegen zuzuhören, wurde einfach beibehalten. Solche Abende werden dann schon lang, haben aber auch ihren Reiz. Und zwischendurch einfach mal rausgehen und sich erfrischen, dazu wurden die Zuschauer am Eröffnungsabend sogar von der Bühne auf aufgefordert.
Improvisierte Gespräche und gefühlvolle Kompositionen
Seit 30 Jahren gibt es schon Franz Hackl´s Outreach Orchestra, ein transatlantisches, bläserdominiertes Ensemble, das sehr unterhaltsam zwischen den Stilen spazierte und musizierte. Das Duo DreamHunter mit dem österreichischen Saxofonisten Gottfried Stöger und dem französischen Bassisten François Moutin gefiel mit seinen improvisierten Gesprächen miteinander. Anstrengend wurde es nur wenn sich Moutin immer wieder minutenlang solistisch am Kontrabass regelrecht abarbeitete.
Leonid Shinkarenko zählt seit Jahrzehnten schon zu den arrivierten Musikern der litauischen Jazzszene. Seines neues Trio Shinkarenko Jazz 3 hat der E-Bassist mit zwei jungen Musikern aus seiner Heimat besetzt. Schlagzeuger Michails Novikos und vor allem Tastenmann Andrius Savchenko zeigten im Silbersaal welches Talent in ihnen schlummert. Shinkarenko´s Fusion-Jazz mag vielleicht nicht die hippeste Jazzmusik der Neuzeit zu sein. Doch seine gefühlvollen Kompositionen, sein lyrisches E-Bass-Spiel und der vielfarbige Triosound machten die drei Sets der Litauer zu einem Hörvergnügen.
Jazz meets Poetry
Der österreichische Pianist David Helbock hat sein langjähriges Klasse-Trio Random/Control unlängst mit der ausdrucksstarken deutschen Sängerin Fola Dada erweitert. Das Quartett verknüpfte in Schwaz freigeistigen Jazz mit Poesievertonung auf vorzüglichste Weise. Und auch ein Jazzstandard oder Madonna´s „Like a Prayer“ klangen bei diesem Vierer überraschend und ziemlich gut. Der in Wien lebende Gitarrist und Komponist Andi Tausch und sein Trio PULS boten feinsten und lässig gespielten, warm tönenden, locker groovenden Gitarren-Jazz, während ein weiteres Trio, Prepared aus München, mit Pianist Chris Gall, Drummer Peter Gall und Bassklarinettist Florian Riedl, mit zyklischen Modulen arbeitend mitunter tranceartige, groovende, tanzbare Klangbilder schufen. Und Gall zudem in einem Solostück am Konzertflügel noch zeigte, was für ein fantastischer Pianist er doch ist.
Und dann gab es ja auch noch die zweite Konzertbühne. Eigentlich die Trompetenwerkstatt und das Geschäft für Musikinstrumente der Familie Hackl, aber beim Outreach ein eigenwilliger Auftrittsort. Denn junge Bands wie das Project M um die deutsch-russische Sängerin und Komponistin Natalie Mischok, die philosophische Fragen in coole Klänge zwischen Jazz, R&B und Psychedelic kleidete, und mit extravaganter Tänzerin in Schwaz vorbeischaute, spielten in den Räumlichkeiten von hacklmusic, während das Publikum draußen vor dem Geschäft saß, durch eine Schaufensterscheibe akustisch völlig von den Künstlern getrennt. Auch das eine der besonderen Ideen der Festivalmacher in der Coronazeit, die geblieben ist.