Klaus der Geiger und Marius Peters
Konzert im 'Langen August'
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Am Freitag, 13.3. traten Klaus der Geiger und Marius Peters im 'Langen August‘ in Dortmund auf. Ein Erlebnis!
Beide kommen aus Köln. Klaus der Geiger heißt eigentlich Klaus von Wrochem und ist als Straßenmusiker inzwischen eine lebende Legende. Ich habe ihn 1976 bei einem Solidaritätsfest in der Essener Grugahalle erlebt. Er ist nach wie vor mit seiner Musik und seiner politischen Botschaft unterwegs. Er tritt auch in Altersheimen auf, denn die 68er sind in die Jahre gekommen, doch auch bei den jungen Leuten in Lützerath hat er kürzlich vor der Räumung gespielt. Erst im Januar hat Klaus sein erstes Rockalbum Klaus der Geiger Rockt! herausgebracht (s.u.)
Marius Peters
ist nur 50 Jahre jünger. Er hat Jazz studiert und 2015 mit seiner Band marius peters rearranged den Deutschen Jazzpreis gewonnen. Auch mit
Heiner Wiberny
, dem früheren Altsaxofonisten der WDR Bigband Köln, spielt er im Duo. Er ist Klaus zufällig bei einem Konzert in der Kölner Südstadt begegnet, als dieser spontan auf die Bühne kam und einfach mitspielte. Seitdem haben die beiden viel zusammen gemacht, ein Glücksgriff für beide Seiten. Trotz oder gerade wegen dieser Gegensätze bilden die beiden ein formidables Duo, denn sie ergänzen sich gegenseitig.
'LANGER AUGUST'
Der ‚Lange August’ befindet sich in der 'Dortmunder Bronx' in der Nähe des Nordmarkts. Nazis waren hier früher viele zu finden, doch das hat sich wohl geändert, seit viele in den Osten abgewandert sind, weil sie sich dort besser aufgehoben fühlen. Der Name der Location geht auf einen früheren KPD-Mann zurück, der dort wohnte. Sein Tarnname war August und sehr groß war er auch.
Der ‚Langer August’ jedenfalls ist ein linkes Kontaktzentrum, eine Tagungsstätte, ein Café, ein ganz besonderer Ort. Auch Konzerte, Ausstellungen und Partys finden hier statt. Dort tagen u.a. das Kommunikations Centrum Ruhr, der Verein für Medienarbeit und die Dortmunder Freifunker.
Rechts hinter der Tür befindet sich eine leicht erhöhte dreieckige Bühnenfläche, direkt davor Tische, Stühle und Bänke, so dass Publikum und Künstler sich sehr nah sind.
SPONTANEITÄT BEI DER AUSWAHL DER STÜCKE
Klaus und Marius stehen nicht auf, sondern vor der kleinen Bühne, denn was heute kommt, ist Straßenmusik, bei der man ebenerdig auf gleicher Höhe mit den Zuhörern stehen muss. Deshalb gibts auch keine Verstärkungstechnik, alles unplugged. Wegen der politischen Orientierung der Location wird es vor allem Lieder mit Texten geben. Die beiden Musiker haben vorher die Reihenfolge der Titel abgesprochen, doch es kommt ganz anders, erzählt Marius in der Pause. Kein Wunder, denn Klaus zählte früher zur ‚Sponti Szene‘.
Klaus ist voll in seinem Element und beginnt mit einer kraftvollen Improvisation, die sich als Rumänisch, eine Komposition von Klaus, entpuppt. Der Gitarrist ist wohl selbst erstaunt, welche Titel nun folgen, doch er kennt das schon und klinkt sich mühelos ein, denn die beiden sind sehr gut aufeinander eingespielt. Bei Sweet Georgia Brown spielt Marius ein schönes Gitarrensolo, danach beide im call response Modus.
Überraschung: Peter Sturm aus Dortmund klinkt sich plötzlich aus dem Publikum heraus mit einer sehr persönlichen Percussion mit zwei hölzernen Salatlöffeln ein. Man kennt und schätzt ihn hier und er ist sofort akzeptiert. Es folgen Stressvampir Boogie, Jambolai und dann – das ist ein Höhepunkt – singen und spielen die beiden auf der Melodie von St. James Infirmary das Stück ‚Oligarchen‘. Unwillkürlich kommt mir gleich der Stammheim Blues von Klaus in den Sinn, den er Ende der 70er oft spielte.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Es geht um Krieg und Hunger und ganz aktuell um die Oligarchen in Russland und die Geschäfte der deutschen Rüstungsindustrie. Zu den Themen Macht/Gewalt/Geld gesellt sich immer öfter das Thema Umwelt und Klima, auch wenn das sicher zusammenhängt: „Die Welt ist unser Paradies, wir haben ihr zu entsprechen, sonst wird Mutter Erde sich an uns rächen.“
Nach den ‚Mutanten‘ ‚beginnt die Pause, in der die beiden Musiker mit den Gästen am Tisch sitzen. Jetzt erst besprechen die beiden, welche Stücke sie als nächstes spielen wollen. ‚Hora de Jok’ ist ein rumänisches Stück, osteuropäische Klänge hört man auch in anderen. Auch Marius darf sich nun was wünschen, er liebt irische Musik und wir hören ‚Irish Glasgow‘. Der ‚Drückeberger‘ ist ein weiterer Höhepunkt des Konzerts, denn hier holt die Vergangenheit in gewisser Weise die Gegenwart wieder ein. Es geht um die früher verfemten Kriegsdienst-Verweigerer. Das passt gut, auch weil die DFG/VK hier im Langen August tagt und weil Marius Zivildienstleistender war. Im Text geht es darum, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, kein Kanonenfutter zu sein. Das ist angesichts des Kriegs in der Ukraine hochaktuell, auch wenn die Welt heute nicht mehr ganz so einfach aussieht.
ENERGIE UND LEBENSFREUDE
Die Musik des Duos sprüht vor Energie und Lebensfreude. Klaus singt und spielt gleichzeitig, verbeugt sich oft dabei und springt manchmal regelrecht auf der Stelle. Er spricht das Publikum direkt an, manchmal auch mit einem leichten Stups. Da wird nicht einfach nur Musik gemacht, denn es entsteht ein unmittelbarer Kontakt, bei dem man den Musikern direkt in die Augen sehen und kleinste mimische Veränderungen wahrnehmen kann. Die Musiker wiederum reagieren auf das Publikums, das sie hier gut im Blick behalten können.
Es folgen Moloch und der Minor Blues von Django Reinhardt. Klar dass Klaus nicht wie Stephane Grappelli spielt, aber darauf kommts ja gar nicht an. Sein Geigen-Solo passt genau ins Bild. Marius zeigt bei diesem Jazz Standard sein Improvisationstalent und nicht zuletzt ist Peter als '3. Mann' mit einen Löffel-Solo dabei. Zum Ende hin wird es etwas besinnlich mit ‚Das Leben ist schön‘ und ‚Das Wunder des Lebens‘, das auf der Melodie von Wonderful World gesungen wird. Doch auch diese philosophisch angehauchten Texte sind politisch gefärbt, denn: „Leben ist nicht Haben, sondern Sein.“
So ein Konzert habe ich noch nicht erlebt. Diese Location, das Zusammenspiel der beiden Musiker, der unmittelbare Kontakt zu ihnen und die freundliche Atmosphäre sind wirklich einmalig. Man versteht jetzt, dass jedes Konzert dieses Duos anders ist. Anders wird sicher auch das Konzert am 31. März im Bochumer Kulturrat sein, für das Stücke vom Piadolla-Album geplant sind. Doch mal sehen, was da kommt, man weiß ja nie. Aber gut wird's bestimmt!
https://www.klausdergeiger.de/
neue CD: Klaus der Geiger rockt!
Rockfassungen seiner historischen Straßensongs mit Unterstützung von Elf von Slime, Olly. den Ex-Abstürzenden Brieftauben und Marco PankowLabel: Schallinsland 24.3.2023
Klaus stellt sein neues Album dort vor, wo er herkommt, in der Kölner Südstadt im Alten Pfandhaus am 28.März.
weitere Konzerte in NRW:31.3.23 Bochum Kulturrat
1.04.23 Wuppertal, Loch
20.04.23 Köln, Stadtmuseum (Marco)
21.04.23 AWO Seniorenzentrum, Köln Südstadt
22.04.23 Mülheimer Nacht Festival, Köln Mülheim
23.04.23 AWO Seniorenzentrum Dr. Pigulla Stiftung, Siegburg
7.05.23 Köln, KunstSalon Brühler Str. 11-13, KunstSalonOrchester
4.06.23 Köln-Süd, Trude-Herr-Park, KunstSalonOrchester
10.06.23 Roes, Brückenmühle-Festival
11.06.23 Polch, Gemeindehaus
15.06.23 Wuppertal, Simons (alle über info@umlaut.de)
16.06.23 Köln, Zirkuszelt (alle über info@umlaut.de)
4.08.23 Krefeld Festival
5.08.23 Michalesberg Festival, Siegburg
6.08.23 Naturfreunde NRW, Bonn