Klassik mit Jazz Attitüde
Schumann Quartett
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
„Der Moment, in dem man noch nichts weiß, die Augen und die Ohren weit offen, nach Orientierung sucht. (…) Ein unaufgelöster Akkord nach dem anderen, und die Vier kosten den Moment aus, verschärfen – extrem leise – die Orientierungslosigkeit; reduzieren alles Wissen auf das reine Jetzt.“
Ein Statement eines offen improvisierenden Jazzquartetts? Vom Saxophonisten Nicolas Simion , vom Pianisten Simon Nabatov, vom Klarinettisten/Saxophonisten Frank Gratkowski, vom Bassisten Robert Landfermann und von vielen anderen zeitgenössischen Jazzern könnte dieser Satz stammen.
Aber mit dieser Aussage beschreibt das Schumann Quartett seine Herangehensweise an Beethovens neuntem Streichquartett. Diese Aussage lässt sich auf alle Stücke, die das Quartett spielt übertragen und besonders auf die konkrete Konzertsituation.
„Das schließt auch die Zuhörer/innen mit ein, die sich Abend für Abend auf alles gefasst machen müssen … weil wir vorher selbst nie wissen, was passiert.“
Seit fünf Jahren spielen die drei, in der Nähe von Köln geborenen, Schumann Brüder, Erik und Ken (Violine), sowie Mark ( Violoncello) zusammen. Seit 2012 gehört die in Tallin geborene und in Karlsruhe aufgewachsene Bratschistin Liisa Randalu zum Quartett.
Dass die oben zitierten Selbstdarstellungen aus ihrer Webside keine leeren Floskeln sind beweisen sie immer wieder auf ihren Konzerten.
Seit der Spielzeit 2009/2010 ist das Schumann Quartett mit der Reihe „Erstklassik“ Artist in Residence im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal. Zu dieser Reihe gehört traditionell auch ein jährliches Weihnachtskonzert. Dieses Jahr spielte das Quartett am 26.12. zusammen mit dem in China geborenen Wen Xiao Zheng, der Solobratscher des Symphonieorchesters des Bayrischen Rundfunks ist.
Trotz des besonderen Termins widerstehen sie der Versuchung ein eingängiges Weihnachtsprogramm mit allbekannten Stücken darzubieten.
Stattdessen spielen sie Mozarts Streichquintett C-Dur (KV 515) und von Mendelssohn Barthholdy das Quintett B-Dur op. 87.
Während Mozarts Werk ein sogenanntes Bratschen Quintett ist, bei dem die Mittelstimmen (Liisa Randalu und Wen Xiao Zheng) stark betont werden, hat in Mendelsohns Quintett die erste Geige (Erik Schumann) eine herausragende Stellung. Dies ist nicht verwunderlich, da Mendelssohn das Werk auf Wunsch seines Konzertmeisters im Leipziger Gewandhaus Ferdinand David geschrieben hat. David wünschte sich ausdrücklich Kammermusik im „stilo moltissimo concertissimo“.
Bei beiden Stücken ist neben der hohen Virtuosität der MusikerInnen, das Zusammenspiel aller Mitglieder des Quartetts bzw. des Quintetts bemerkenswert. Immer wieder verständigen sich die Ensemble Mitglieder durch kurze Blickkontakte. „Ein Blick, und ich weiß, wie er/sie die Musik im Moment spielen möchte.“
Auch hier finden wir eine Herangehensweise, wie wir sie aus Jazz Formationen kennen. Auch wenn der musikalische Gestaltungsspielraum in der Klassik ungleich kleiner als im Jazz ist, so ist der Ansatz durchaus der gleiche.
Diese offene und spontane Haltung, gegenüber dem musikalischen Material ist ein Markenzeichen des Schumann Quartetts. So ist es auch kein Zufall, dass das Schumann Quartett ein Teil der Jazz Formation „Sternal Symphonic Society“ ist. Sebastian Sternal s großes Ensemble in der Tradition des symphonischen Jazz, wie wir ihn aus der Zusammenarbeit von Bill Evans mit Miles Davis kennen.
Das Schumann Quartett ist in gewisser Weise ein klassisches Kammermusik Ensemble mit Jazz Attitüde.
2016/2017 werden die MusikerInnen Artist in Residence im Lincoln Center in New York sein. Vielleicht haben sie auch dort Gelegenheit den Austausch mit MusikerInnen aus dem Jazz intensivieren.
http://www.schumannquartett.de/ger/aktuell
Auch der Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf ist ein Ort der Begegnung von Klassik und Jazz. In der Reihe: Original und Fälschung werden klassische Stücke im Originalfassung und in Jazzbearbeitung durch das Engstfeld/Weiss Quartett vorgestellt.
Nächster Termin : Original und Fälschung, 10.4.16, 17 Uhr Robert-Schumann-Saal, Düsseldorf
http://www.smkp.de/programm/