Klangbilder mit ekstatischer Energie
Paper Planes im Kunstmuseum Bochum
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Paper Planes legte gleich mit einem wahren Klangorkan los: Das deutsch-japanische Trio mit der Pianistin Rieko Okuda, Florian Walter (as, Hechtyphon) und Martin Blume (dr, perc) bietet in seinem Konzert im Forum des Kunstmuseum Bochum ein Konzert erster Güte aus dem Bereich von improvisierter Musik.
In der von Martin Blume kuratierten Reihe ‚Klangbilder‘ werden bekanntlich zu den Ausstellungen im Kunstmuseum Konzerte veranstaltet. Mit Rieko Okuda wird dieses Mal ein Bezug hergestellt zur aktuellen Ausstellung mit Werken der japanischen Fluxus-Künstlerin Takato Saito – ein sehr sinniger Kontext, zeigt Takato Saito mit ihren Exponaten doch einen engen Bezug zur experimentellen Klangerzeugung. In der Ausstellung ist auch eines ihrer Kostümkreationen mit John Cage-Reverenz zu sehen. Museumsleiterin Noor Mertens erläutert in der Eröffnung und vor allem in der Führung durch die Ausstellung nach dem Konzert dem interessierten Publikum das Werk der in Düsseldorf lebenden Avantgarde-Künstlerin.
Unabhängig von diesen Bezügen erweist sich das Trio als ein Glücksfall, seine experimentelle Spielweise generiert eine ausgesprochen dichte Klangwelt. Die japanische Pianistin konnte umfangreiche Erfahrungen sammeln mit internationalen Größen der improvisierten Musik etwa mit Marshall Allen (Sun Ra Orchestra), Elliott Levine (Cecil Taylor Band) und Calvin Weston (Ornette Coleman Group). Sie lebt aktuell in Berlin und ist in der Improvisationsszene bestens vernetzt.
Ein Feuerwerk der freien Improvisation
Mit Florian Walter und Martin Blume hat sie auch jeweils konzertiert. Das Trio jetzt ist in dieser Besetzung eine Premiere. Dem Konzert in Bochum ist jedoch sofort anzumerken, dass alle Drei bestens „eingespielt“ sind. Das Klangabenteuer beginnt mit einem furiosen Einstieg. Nach Sekunden der Besinnung bricht unmittelbar ein wahrer Energiestrom los, Klavier, Altsax und Perkussion entfachen ein Feuerwerk der freien Improvisation, wie man es in dieser Konzentration und intuitiv abgestimmten Dichte selten erlebt. Mit unermüdlichem körperlichen Einsatz bearbeitet Rieko Okuda die 88 Tasten ihres Flügels, zu dem dazu unaufhörlich subtil pochenden und zum Teil dezent singenden Drumset erzeugt Florian Walter mit seinem Altsax und diversen Mundstücken schier unerschöpfliches Klangpotential. Dies gilt auch für das von ihm und Wolfram Lakaszus entwickelte exotisch anmutende Instrument Hechtyphon – ein Blasinstrument mit Schalltrichtern, einem Zug, Ventilen und eigens entwickeltem Mundstück. So wie Florian Walter dieses Instrument einsetzt, passt es perfekt in den Rahmen von verblüffender innovativer Klanggenerierung und trägt zu dem wunderbar organischen Trio-Sound bei.
Gelungene Synästhesie
Geradezu unmerklich wechselt der Energiefluss: Rieko Okuda zupft ein paar zitherähnlich klingende Saiten im Diskant, die zunehmend rhythmisiert werden und unmerklich Altsax und Perkussion zu einer eher leise-besinnlichen Sequenz einladen. Diese entwickelt sich allmählich weiter zu einem intensiven Klanggeflecht, einer ausgesprochen dichten, lang gehaltenen Spannung. Ein paar schnelle Läufe auf dem Piano lassen das fast 60-minütige Konzert ausklingen. Auf eine Zugabe verzichtet das Trio völlig zurecht, der Flow und die erreichte ekstatische Energiekonzentration sind nicht zu toppen.
Ein gelungener Abend, eine gelungene Synästhesie von Musik und bildender Kunst!