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Klangabenteuer Montreux 2018

, 18.07.2018
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz

Das Montreux Jazz Festival sucht auch 2018 weiterhin nach seiner Identität. Für Mathieu Jaton, CEO Montreux Jazz Festival, ein Prozess einer musikalischen Reise, der es schafft, sich seit mehr als 50 Jahren immer wieder als Jazz à la Montreux zu erneuern: Einen anderen Weg zu beschreiten als denjenigen des Music Business.

So vollmundig, so Business like. Für Jaton ist es Jazz, der vom Blues her kommt, der mit Soul und Funk flirtet und für Spontaneität und Offenheit steht. Jedenfalls zwei Wochen lang auch in diesem Jahr wieder: ein reichlich gefüllter Gemischtwarenladen von Hardcore- bis Softcore-Jazz, von martialisch Beat krachendem Hip-Hop, irgendwo zwischen afroamerikanischen Soul- und Funk-Wurzeln sowie gesampelten Rap-Collagen, von gefälligem Rock bis zum schräg verwinkelten Pop-Gewusel sowie Big Band gestimmter Leichtigkeit.

Alte Bekannte, die immer wieder gern nach Montreux kommen, wie Van Morrison, Billy Idol oder Deep Purple bedienen mitunter reichlich nostalgisch verbrämte Erinnerungen einer mit den Musikern gealterten Montreux-Fan-Gemeinde. Neben den bewährten Konzerten im Auditorium Stravinski, im Jazz Club und im Jazz Lab gibt es mit dem House of Jazz in diesem Jahr eine neue Location.

Drei Tage crossover in Montreux zeigen vor allem eine ungebrochene Begeisterung der Montreux-Pilger für Musik, die die traumhaft gelegene Promenade am Lac Leman in ein sommerlich buntes Happening verwandelt. Selbstdarsteller aller Couleur wechseln jeden Meter entlang der Promenade mit spontan improvisierter Straßenmusik. Music im Park ist dabei das organisierte, kostenfreie Freiluftkonzertzentrum.

Wer Montreux sagt, meint häufig vor allem diese phantastisch lebendige, musikalisch inspirierende Atmosphäre angesichts eines überwältigenden Alpenpanoramas. Traditionell beginnt mit Music im Park jeder Montreux-Tag mit nachmittäglichen Big-Band-Konzerten, die sich bis in den späten Abend zu extraordinären Konzerten hochkochen.

Die Philadelphia Big Band frischt beispielsweise amerikanische Jazz-Standards auf und mixt mit erstaunlicher orchestraler und vokaler Klangfarbigkeit Musical Pop bis zu einer schönen Skyfall-Reprise. Anderntags repräsentiert die Big Band du Flon aus dem Vorort von Lausanne regionales Musikleben mit dezent engagiertem Sound.

Am Abend bringt das Duo Carrousel die Parkgäste in wippend wiegenden Schwung. C’est la Vie, geben Sophie Burande (acc, synth, voc) und Léonard Gogniat (git) eine Kostprobe von französischer Lebensart-Musik. Die extrovertierte Musikartistin Burande erdet Gogniat mit charmanten Understatement zu einer rhythmisch dichten, perkussiven Präsenz.

Das House of Jazz erweist sich im Kontext vom Montreux Jazz Talent Awards als Forum der Entdeckungen. Emma-Jean Thackary (tp), von einigen Kritikern als one of the UK jazz up-and-comer, als einer der aufregendsten New-Jazz-Künstlerinnen bezeichnet, überzeugt mit ihrem Quartett auf der ganzen Linie. Ihre Musik, die zwischen Madlib und Ornette Coleman changiert, driftet mit ihrer kraftvollen Trompete, begleitet von Tuba, Drums und Keyboard, durchs Jazz-Universum.

Von der Terrasse RTS sendet Radio Télévision Suisse das Neueste aus Montreux mit Interviews und Showcases in die Welt. Wer keine Gelegenheit hat, Konzerte im Jazz Club zu hören, kann, wenn er Glück hat, auf der Terrasse sogar mehr als nur entschädigt werden. Jason Moran erzählt vor seinem Jazz-Club-Konzert in einem Interview nicht nur launig von den Freuden und Mühen seines Lebens als Jazzmusiker. Wann hat man schon Moran, auf der Holzkonstruktion der Terrasse scheinbar über dem Lac Leman schwebend, vor einem solchen grandiosen Hintergrund sein ingeniös inspiriertes Klavierspiel gehört? Allein Montreux macht‘s möglich.

Ach ja, es gibt da auch noch die Konzerte im Strawinski. Schlechtes Timing des Festivalbesuchs oder nur die für den hier Schreibenden die falsche Musik. Wo Jared Lee, angetan mit Bomberjacke und mit gedrehtem Bantu-Knoten auf dem Kopf als Duckwrth keinen Schweißtropfen auslässt, den Pop vorgeblich zu entstigmatisieren, mag N.E.R.D - No-one Ever Really Dies – einem euphorisierten Publikum Glauben machen, dass niemand wirklich stirbt. So verschwitzt die atemlose Hip-Hop/Rock-Performances enervierend mit Drum’n Beat die letzte Frischluft aufsaugen, so durchdröhnen sie Kopf und Körper bis zu einer Hör-Schmerzgrenze und darüber hinaus.

Aber offensichtlich verspricht dieser Mix von kalkulierter und programmierter Klangmächtigkeit sowie improvisierter Klangvielfalt jedes Jahr aufs Neue ein musikalisches und soziales Abenteuer, auf das sich viele gern, freudig gestimmt, einlassen.

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