Kälberers Soundgebilde
Festlich in der Katharinenruine
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Vera Marzinski
Eine spektakuläre Konzertstätte passend zum Geburtstagskonzert von Multiinstrumentalist Martin Kälberer, mit Musik, die von innen nach außen wirkt, erlebte das Publikum in Nürnberg.
Geplant war das Geburtstagskonzert schon länger und nach zweimaliger Verschiebung (inzwischen sogar bereits zum halbrunden Geburtstag) konnte Martin Kälberer endlich mit Gästen und Freunden feiern. Der Hof der Katharinenruine war gut gefüllt und bei strahlendem Geburtstagswetter erhielt er sogar ein kleines Ständchen von den Gästen. „Endlich ist es soweit“, freute er sich und im Nachhinein sei es fast prophetisch gewesen, das Geburtstagskonzert für diesen Abend zu planen.
Zwei Freunde hatte er auf die Bühne eingeladen. Vor zwei Jahren lernte er in Palermo den Trompeter Alessandro Presti kennen. Mit ihm spielte er das Stück „Zweiklang“, das genau vor zwei Jahren entstand. Kälberer entlockte dem „Hang“ mit Klöppel sehr spezielle Klänge und ging dann zu diversen Percussioninstrumenten über. Hervorragend auch das Trompetenspiel von Presti. Das zweite Duo-Stück, bei dem Presti zum Flügelhorn griff, sei erst wenige Monate alt, so Kälberer. Bei der momentanen Zeitwende könne er nicht so leicht Worte finden, aber das was ihn bewege gut in und mit Musik ausdrücken. So heiße das Stück „Mir“, das bedeutet Frieden – sowohl in der ukrainischen als auch in der russischen Sprache.
Mit dem zweiten Freund, den er auf die Bühne holte, hat Martin Kälberer vor 40 Jahren die Schulbank gedrückt und bereits da die Leidenschaft Musik zu machen mit ihm geteilt. Gerd Baumann spielte damals schon mit der Gitarre bei Ausflügen an den Olchinger See. Mittlerweile ist er ein preisgekrönter Filmproduzent und unterwegs mit „Dreiviertelblut“. Für den Film “Sommer in Orange“ - eine Culture-Clash-Komödie über jene Zeit, als Selbsterfahrung noch kein Mainstream und die bayerische "Seele" noch nicht lässig war – schrieb Baumann die Musik. Mit Piano und E-Gitarre gab es von den beiden Musikern in Nürnberg ein relativ neues Stück: „Flow“. Zu dritt, mit Gitarre, Trompete und Piano zelebrierten sie das Baumann-Stück „Sun come up“. Es sei eher traurig, aber schön, erklärte Baumann, „eine Sterbeszene, die sehr berührend ist“. Das berührte am Schluss des Konzertes sehr, aber zuvor gab es auch noch viel Musik, die mitnahm und fast wegschweben ließ. Besonders die Solo-Stücke von Kälberer. Wie „Part I“ und „Part II“ seiner neusten CD „INSIGHTOUT“, die entstand, als noch nicht mal der Klavierstimmer vorbeikommen durfte. Relativ neu und eigentlich noch gar nicht fertig – sozusagen im Wachstum begriffen -, das „It‘s all right“. Mit einem weiteren Klanginstrument, erzeugte Kälberer Töne wie die eines kleinen Glockenspiels und wie Tropfen auf Metall - sehr sphärisch. Es kamen diverse Percussioninstrumente hinzu. Das alles mit Loop aufgenommen und so vervielfältigte sich das Klangspektrum bis schließlich das Piano dazukam und schlussendlich das Vibrandoneon.
Am 7. August 1967 in Ulm geboren, bekam Martin Kälberer mit fünf Jahren den ersten Klavierunterricht. Später war er zunächst als reiner Pianist und Keyboarder tätig, erweiterte aber sein Instrumentarium mit Mandoline, Perkussion (speziell die afrikanische Udu), Akkordeon, Bass, Vibrandoneon, diverse Blasinstrumente und nicht zuletzt mit dem Schweizer Instrument „Hang“. Von diesem Multi-Instrumentalismus erlebte auch das Publikum im Nürnberg so einiges. Neben seiner langjährigen Verbindung zu Werner Schmidbauer, mit dem er seit 1994 zusammen musiziert, produziert, komponiert und konzertiert, sowie zu dritt (mit Pippo Polina) das Projekt SÜDEN 2010 ins Leben rief und schon mit Part I über 100 Konzerte spielte, ist es nach wie vor und immer mehr die freie, improvisierte Musik und die Suche nach neuen Klängen und speziellen Orten und Momenten, die ihn fasziniert und die er in seinen Solo-Projekten umsetzt. Genau die sind so besonders.
Wie auch ein Solo-Stück, bei dem Martin Kälberer das „Hang“ sehr zart und leise, teilweise nur mit den Fingerkuppen berührt. Da hörte man vom Publikum fast nichts. Und zum Ende des Stücks erklingen vom nahen Kirchturm die Glocken. „Wir sind gleichzeitig fertig geworden“, bemerkt Kälberer schmunzelnd. Beim Konzert in der Katharinenruine sind auf drei runden Leinwänden verschiedene Darstellungen, wie Wasser, dass am Strand angespült wird – zu sehen. Die Motive, Clips und Bilder, hat ein Freund mit Martin Kälberers Musik im Ohr in Griechenland aufgenommen. Sie unterstreichen die akustischen Eindrücke des Konzertes noch zusätzlich. „Ein tiefer Blick nach innen. Als Möglichkeit der Reduktion, der Konzentration auf das Wesentliche in dieser seltsamen Zeit der Stille“ so hat Martin Kälberer seine Musik auf seinem neuen Doppelalbum „INSIGHTOUT“, (Jazzhaus Records) beschrieben. „Eine Sicht nach innen, um von dort aus wieder nach draußen zu schauen und sich ganz neu seiner Sicht auf die Dinge und die Welt bewusst zu werden“. Und so wirkt nicht nur die CD, sondern auch die Musik auf das Publikum beim Konzert in Nürnberg.