JugendJazzOrchester NRW
On Tour mit Sänger Tom Gaebel
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Am 28. November fand im Wittener Saalbau ein imposantes Konzert des Jugendjazzorchesters NRW (JJO) statt. Der Sänger Tom Gaebel war als ehemaliges Bandmitglied und als special guest eingeladen.
Nachwuchsförderung mit dem JJO NRW
Mit ‚In the street where you live‘ aus ‚My fair Lady‘ beginnt das Konzert. Phänomenal wie das junge Orchester von der ersten Note an swingt und einen vollen Sound entfaltet, der an bekannte Bigbands erinnert. Danach liefert die Band gleich ihr Meisterstück ab: ‚Jazz Crimes‘ von Joshua Redman (Album ‚Elastics’ 2002) spielt sie sehr funky mit einem exzellenten TenorSax Solo von Lorenz Knauft. Die Bassistin Lena Lorberg ist dazu vom Kontra- zum E Bass gewechselt. Der Pianist Daniel Wild spielt nun am Keyboard ein langes Solo, das zeitweise nur vom Groove der Rhythm Section getragen wird. Ein Drum Solo von Jakob Hein schließt das Stück ab. Kompliment!
Und immer wieder passiert etwas Neues auf der Bühne. Die Sängerinnen Lilith Walkenhorst und Anna Galtschenko kommen dazu und singen im Wechsel. Bei ‚For all we know‘ werden die Saxofone gegen Klarinetten und eine Querflöte getauscht.
Schließlich kommt Tom Gaebel und erzählt, dass er früher erst als Posaunist zum JJO gehörte und wie es war, als er ins Gesangsfach wechselte. Als er ‚Ol Man River‘ singt. wird man wirklich sofort an Frank Sinatra erinnert.
Doch es dreht sich nicht alles um Tom Gaebel, auch wenn er als Zugpferd vielleicht viele Besucher angelockt hat. Es geht vielmehr um die jungen Musiker, die hier viele Erfahrungen machen können und von denen einige als Solisten vorne stehen und ihr Können demonstrieren. Der Dirigent ist darum hier besonders wichtig. Während in Profi-Bigbands Dirigenten während des Konzerts nur locker begleiten, ist dies hier ganz anders, denn der Dirigent ist auch pädagogisch gefordert.
Vom Alter her könnte Stephan Schulze gut der Vater der jungen MusikerInnen sein. Er ist sehr agil und immer sehr nah bei seinen Schützlingen. Viele unterschiedliche Fingerzeichen helfen bei den Einsätzen der Instrumente, doch auch über seine gesamte Körpersprache kommuniziert er und vermittelt die Dynamik der Musik. Dieses Engagement offenbart auch den persönlichen Einsatz des Dirigenten, es geht auch um Beziehung und Zuwendung.
Das Dirigat ist wegen des unermüdlichen körperlichen Einsatzes auch ein intensives Fitnessprogramm, das Stephan Schulze hier absolviert. Zudem ist damit eine enorme Konzentrationsleistung verbunden, die erforderlich ist für die visuelle und auditive Beobachtung der einzelnen MusikerInnen, für die Orientierung in der komplexen Partitur und für die motorische Umsetzung der Impulse – Multitasking hoch 3.
Wichtig sind die Soli, auch wenn nicht alle MusikerInnen in einem Konzert solieren können. Was es heißt allein vor der Band zu stehen, alle Augen auf sich gerichtet zu fühlen und trotzdem möglichst in einen Flow zu kommen, das ist schon eine gewaltige Erfahrung, die auch mit Misserfolgserlebnissen verbunden sein kann. Doch heute läuft alles nach Plan. Nach der Pause glänzt Elias Brieden bei ‚On a clear Day‘ mit einem hervorragenden Flügelhorn-Solo. Zu ‚Maja’ singt Anna Galtschenko Vokalisen, Roland Danyi liefert ein schönes TenorSax Solo.
Gegen Ende kommt wieder Tom Gaebel auf die Bühne und singt seine eigene Komposition ‚The Cat‘, dann ‚Sway‘, ein typisches Sinatra-Stück. Sogar die Crooner-Gestik hat er übernommen, doch will er Sinatra imitieren oder ist das auch sein eigener Stil? Mit einer eindrucksvollen Interpretation von ‚The Lady is a Tramp‘ mit einem Wechselgesang von Sänger und Sängerinnen und einem furiosen Schlagzeugsolo von Jakob Hein endet das Konzert. Natürlich gibt es auch eine Zugabe. Bei einem Stück aus dem Dschungelbuch bindet Tom Gaebel das Publikum ein und offenbart auch sein Talent als Entertainer.
Location Saalbau
Saalbau und Haus Witten gehören zum Kulturforum Witten. Mehrere Räume stehen zur Verfügung und viele sehr unterschiedliche Veranstaltungen finden dort statt. Bisher war diese Location nicht für Jazzkonzerte bekannt. Schön dass sich das geändert hat. Schon am 7.12. treten im Haus Witten Karolina Strassmayer & Drori Mondlak – KLARO! auf.
Jugendjazzorchester NRW
Das Jugendjazzorchester NRW wurde 1975 als Bigband zur Nachwuchsförderung gegründet und wird inzwischen vom Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen getragen. Gabriel Pérez, Stefan Pfeifer-Galilea, Stephan Schulze und Thomas Haberkamp leiten die Band. Nach dem Vorbild des JJO NRW entstanden bald in weiteren Bundesländern eigene Jugendjazzorchester und 1988 das Bundesjugendjazzorchester (Bujazzo). 2013 erhielt das JJO den WDR-Jazzpreis, im nächsten Jahr wird es sein 50jähriges Jubiläum feiern.
Das JJO spielt in der klassischen Bigband-Besetzung mit 15 Blasinstrumenten und mit der Rhythm Section (Klavier, Gitarre, Bass, Schlagzeug), auch zwei Sängerinnen gehören dazu. Die MusikerInnen sind 16 bis 24 Jahre alt, aktuell sind nur vier Frauen dabei.
Das JJO und hat durch enge Verbundenheit über Jahrzehnte ein Netzwerk geschaffen, auf dem auch dieses Konzert basiert. Der Dirigent Stephan Schulze berichtet, dass auch er früher zusammen mit Tom Gaebel im JJO war. Viele Musiker in anderen Bands haben früher im JJO gespielt und halten immer noch Kontakt. So ist auch ‚Maja‘, die Komposition des ehemaligen Mitglieds Pascal Bartoszak zu hören.
Die jungen Musiker sind etwa 2 Jahre in der Band. Man kann sich ständig bewerben formlos per mail unter info [at] jjonrw.de. Altersgrenze zum Zeitpunkt der Bewerbung: 22 Jahre. Die Aufnahme erfolgt nach bestandenem Vorspiel. Die Band trifft sich 3x im Jahr zu je einwöchigen Arbeitsphasen.
LINE UP der Band am 28.11.24
Stephan Schulze Dirigat
Paula Steimer Altsaxophon
Lewin Losemann Altsaxophon
Lorenz Knauft Tenorsaxophon
Roland Danyi Tenorsaxophon
Nikita Werner Baritonsaxophon
Joshua Wulff-Castillo Trompete
Leonard Koch Trompete
Elias Brieden Trompete
Hannes Bornemann Trompete
Béla Nicolini Trompete
Moritz Kröger Posaune
Jakob Holtmann Posaune
Paco Montenegro Posaune
Aaron Gorny Bassposaune
Felix Ziech Gitarre
Daniel Wild Klavier
Lena Lorberg Bass
Jakob Hein Schlagzeug
Lilith Walkenhorst Gesang
Anna Galtschenko Gesang