Joo Kraus
Doing Well auf Burg Vischering
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Auf der Fahrt von Bochum nach Lüdinghausen hat man genug Zeit, um sich die neue CD von Joo Kraus anzuhören: We are doing well heißt sie. Man merkt gleich, die Band ist gut drauf. Mal sehen, wie sie sich live anhört.
Um in die Burg zu gelangen geht man durch einen Torbogen über einen Wassergraben durchs Burgtor und gelangt auf den Innenhof, wo die Bühne aufgestellt ist. Das Konzert findet in diesem Jahr zum ersten Mal draußen statt, eine eindrucksvolle Kulisse. Im Hof sind die meisten Plätze schon belegt. Die Band beginnt mit We are doing well. Das passt auch gut zum lauen Sommerabend und zur entspannten Stimmung im Publikum, dem es auch nicht gerade schlecht zu gehen scheint. Und überhaupt, trotz einiger Masken fühlt sich alles wieder so normal an. Endlich sind solche Konzerte wieder möglich.
We are doing well
Von der Burg Vischering haben wir schon öfter berichtet. Ursprünglich ein Adelssitz, dient sie seit 1972 als Kulturzentrum und Museum, das vom Kreis Coesfeld betrieben wird. Die Reihe „BurgJazz“ ist Teil des Sommerprogramms „back to culture“, das mit Mitteln des Programms NEUSTART KULTUR gefördert wird.
Anders als auf der CD spielen heute Sebastian Schuster am Kontrabassass und Ulf Klein am Keyboard. Torsten Krill, der quirlige Drummer und Produzent ist nach wie vor dabei.
Und weiter geht’s mit Hitback! In diesem ‚Oldie‘ von Joo ist viel Schwung drin. Hier wird auch Joo‘s Vorliebe für live-electronics deutlich. Mithilfe eines Loopers führt er einen Dialog mit sich selbst. Bei New’s My Hair spielt er sogar Gitarre. Smooth Operator von SADE hat mir besonders gefallen. Dieser Pop Standard kommt sehr locker flockig rüber. Lange Soli von Keyboard und Trompete machen einen freien Umgang mit der Vorlage deutlich, der weit über die Originalfassung hinausweist. Ein Höhepunkt ist Count 2 4. Das erinnert mich sehr an Cannonball Adderley.
Joo Kraus kommt aus Ulm. Erst gestern in Hamburg, heute hier in Lüdinghausen. Er ist dabei zum Shooting Star unter den Jazz Trompeter aufzusteigen. Ein paarmal hat er schon den ECHO-Musikpreis bekommen. Joos Musik ist stark durch den Funk geprägt. Prägnanter Bass, hart gespieltes Schlagzeug und viele meist kurze Töne auf der Trompete schaffen Druck und erzeugen eine Musik, die nach vorne drängt und mitreißt. Hinzu kommt eine erstaunliche Vielfalt an Genres im Bereich von Jazz, Pop, Rock und Funk, die eine offene Haltung und einen hohen Grad an eigenständigem Umgang mit Stilen erkennen lässt. Diese Musik lässt sich keiner Schublade zuordnen. Sie ist lebendig und variantenreich.
Wie viele Trompeter macht auch Joo Kraus ausgiebig Gebrauch von ‚live-electronics‘. Paolo Fresu hat sie schon früh eingesetzt und sie scheinen nun immer wichtiger zu werden. Looper bedient Joo mit der linken Hand (s. Foto), um die eigene Stimme oder den Klang seiner Trompete zu verändern oder um kurz vorher aufgenommene Passagen nochmal wiederzugeben. Bei E-Gitarren gehören Effektgeräte schon lange zum Standard; hier finde ich den Einsatz nicht immer adäquat, weil die Ergebnisse zwar anders, aber nicht unbedingt besser klingen.
Joo moderiert zwischen den Stücken, so erklärt er auch den Song Elvis in Paris. Der Elvis des Liedes fühlt sich als ‚Elvis‘ und fährt mit dem Zug von Altenbeken (nahe Paderborn) nach Paris. Ein Bass Intro, man hört den Zug zischen und pfeifen. Und hier zum ersten Mal in diesem Konzert höre ich ein Blue Notes auf dem Keyboard. Am Ende ein langes melancholisches Solo auf der Melodica. Ein schönes Stück, auch wenn ich Elvis Presley und Paris dort nicht herausgehört habe. Love ist ein Liebeslied. Sehr weich, lange Töne. Ganz anders als die anderen Stücke, hier tourneebedingt ohne die Sängerin Fola Dada.
Joo spielt hervorragend Trompete. Eine andere Stärke ist sein Scat/Rap-Gesang. Und er spricht, er pfeift, er zischt. Doch wenn er versucht, so richtig zu singen, dann kommt er an eine Grenze, denn er spricht mehr als er singt. Das ist für den Hiphop ok, für die langsamen Stücke wie bei der Zugabe, passt das aber nicht, finde ich. Ist auf der CD deshalb bei Love eine Sängerin zu hören?
Trotzdem ein tolles Konzert mit einem Trompeter, von dem man noch allerhand hören wird!
Bei nrwjazz wird bald eine Rezension zur neuen CD erscheinen.
Nächste Auftritte in NRW:
18.8. in Gütersloh
21.8. Hildener Jazztage