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JOE Festival

Zeitgenössischer Jazz in überzeugender Vielfalt

Essen, 22.01.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Komponist und Drummer Eric Schaefer bringt es am Ende seiner Session in seiner Dankesrede auf die Macher des JOE-Festivals auf den Punkt: Jazz lebt von solchen Live-Events wie einem Festival, lebt von dem konkreten Austausch zwischen Musikern und Publikum, lebt von dem Improvisationsgeist, für den es einen Rahmen braucht. Und bedürfte es da eines weiteren Beweises, das JOE-Festival liefert ihn

mit einem Super-Programm, das ganz verschiedene Facetten des aktuellen Jazz abbildet – und das auf beachtlichem Niveau.

Den Auftakt macht das Erdmann/Rohrer-Quartett mit dem omnipräsenten Daniel Erdmann am Tenorsaxophon, Samuel Rohrer am Schlagzeug, Vincent Courtois am Cello und dem Gitarristen Frank Möbus, der auch beim Set von KUU! am zweiten Festivalabend dabei ist. Das Quartett spielt acht Stücke ihrer letzten – sehr hörenswerten - CD Ten Songs About Real Utopia. Titel wie Song against patriotism in typisch Erdmann’schem Umgang mit Eisler-Material oder der Christoph Schlingensief gewidmete Song For Christoph S. oder das beklemmend-schöne Zone of Lost Children als Tschernobyl-Hommage setzen die subtile und zupackende Musik des Quartetts in politische Kontexte. Das Zusammenspiel der vier ist geprägt von einem raffiniert aufeinander bezogenen Musizieren, im Unisono etwa von Saxophon und Cello, zu dem Drums und Gitarre rhythmisch nuancierte Akzente setzen. Nicht zuletzt dem unermüdlich variierenden Vincent Courtois ist ein wundersames und suggestives Amalgam von Jazzidiomatik mit Kammermusik, Rock, Grunge zu verdanken. Bei dem Quartett eine Einzelleistung eines Musikers herauszuheben, wird allerdings dem faszinierenden Interplay von vier Ausnahme-Musikern nicht gerecht. Ein wirklich gelungener Auftakt des Festivals, der das Publikum mitnimmt und begeistert.

Es folgt ein kecker, frischer und unverbrauchter Auftritt von Der weise Panda – einem Quartett von vier sympathischen Mit-Zwanzigern mit der Vokalistin Maika Küster, Simon Seeberger am Piano, dem Bassisten Yannik Tiemann und Yo Beyer am Schlagzeug. Geboten werden komplexe Songs, mal mit zupackender rockiger Rhythmik (Me & myself, Old Lady), mal mit lyrisch-melancholischen Ansätzen wie zum Beispiel in dem Schluss-Song Butch Cassidy mit einer einfachen absteigenden Melodie, über die sich trefflich – und gekonnt – improvisieren lässt. Scheuklappen sind der Gruppe fremd, weder gibt es musikalische Engführungen, noch ist die Sängerin auf eine Sprache festgelegt: Maika Küster singt englisch, deutsch oder mit Hilfe von Vokalisen, ihre stimmlichen Modulationen und rhythmischen Finessen sind ausgesprochen vielversprechend. Für die ganze Band gilt: Der Jazz-Nachwuchs Der weise Panda bestätigt die optimistische Einschätzung über die Zukunft des Jazz – zumindest auf Seiten der Musiker.

Innerhalb des Festival-Reigens setzen Eric Schaefer + the Shredz ihre Akzente auf eine ganz andere Stilistik: Mit Eric Schaefer am Schlagzeug, John-Dennis Renken an der Trompete, Volker Meitz am Keyboard und John Eckardt am Bass ist eine stark effektbetonte elektronische Musik angesagt. Mit viel Power werden Jazz-Rock, Dub und Noise zusammengebracht. Laut und druckvoll geht es zu, wenn raffinierte Polyrhythmen den Drive zu kosmischem Klangspiel geben und immer wieder neue Sounds aus dem Electronica-Baukasten generieren. So mancher Zuhörer mag dabei bei allem instrumentellen Vermögen der einzelnen Musiker einen gewissen technikbedingten Overkill empfinden.

Der zweite Festival-Abend beginnt mit dem Trio Fossile 3 mit seinem ironischen Bandnamen: Absolut nicht fossil oder antiquiert klingt die Musik von Rudi Mahall an der Bassklarinette, Sebastian Gramss am Kontrabass und Etienne Nillesen am Schlagzeug. Vielmehr bringt das Trio einen äußerst lebendigen und zupackenden zeitgenössischen Jazz, der die rhythmische und solistische Improvisationskunst kultiviert. Die zumeist im Uptempo gehaltenen Stücke mit dem schalkhaften Klangkünstler an der Bassklarinette strotzen nur so vor Einfällen und Spielfreude.

Mit einem Soloprogramm trat Hartmut Kracht bereits vor genau 20 Jahren beim Joe-Festival auf, damals mit einem akustischen Kontrabass. Zwanzig Jahre später bringt er seine Baritongitarre zum Klingen – und nicht nur das. Unterstützt durch Sequenzer und Effektgeräte erzeugt der Solist mit Donnerträumer, Blues für Frank oder dem Pastorius-Klassiker Okonkolé Y Trompa einen unglaublich dichten und vielschichtigen Klangraum.

Einen furiosen Abschluss des zweiten Festival-Abends bildet die Gruppe KUU!. Hinter dem Gruppennamen verbergen sich die beiden Gitarristen Kalle Kalima und Frank Möbus und Oliver Steidle am Schlagzeug und die bereits beim letzten Moers-Festival herausragende Sängerin Jelena Kuljic. Der Einstieg mit Sex gegen Essen und andere Titel ihrer gleichnamigen LP wie Against winter, Stasias Bände oder Dada präsentiert einen hoch energetischen punkig-rotzigen wilden Ritt der Vokalkunst, verbunden mit einem ebensolchen der Begleitmusiker. Der zappaeske Zauber von Jelena Kuljics durchdringender Altstimme und ihre stupende Wandlungsfähigkeit sind große Vokalkunst, dazu der fetzige Dialog der differenzierten Gitarren und des subtil pulsierenden Schlagzeugs ergeben einen ausgesprochen unkonventionellen Avantgarde-Appeal. Ein David Lynch bräuchte nicht lange nach passender Filmmusik für sein nächstes Opus zu suchen.

Der Rezensent bedauert es zutiefst, nur an zwei der drei Festival-Abenden teilgenommen zu haben. Die zwei jedenfalls haben voll und ganz begeistert. Den Machern sei für die gelungene Programmierung gedankt. Die Förderung der Jazzoffensive Essen jedenfalls zeigt, wie gut angelegt diese ist, sie lässt auf weitere zukünftige Jazz-Highlights in Essen hoffen.

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