Jazztalente präsentieren sich im Baltikum
Riga Jazz Stage 2022
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Jānis Škapars
Der internationale Wettbewerb Riga Jazz Stage leistet einen wichtigen Beitrag zum reichen kulturellen Leben der lettischen Hauptstadt, in dem der Jazz eine große Rolle spielt. Seit 2004 bietet bot der Wettbewerb neuen Künstlern aus der ganzen Welt eine einzigartige Gelegenheit, ihre Talente zu präsentieren.
Zwei Jahre lang musste sich Māris Briežkalns nun gedulden bevor er seinen Talentwettbewerb für Jazzkünstler bis maximal 33 Jahre wieder stattfinden lassen konnte. Es gibt an den drei Tagen in Lettlands Hauptstadt Riga immer zwei Kategorien für die sich präsentierenden Solisten innerhalb des Wettbewerbs: Die erste ist Gesang, die zweite wechselt jährlich. In diesem Jahr durften sich für die zweite Kategorie Schlagzeuger bewerben, was Organistor Māris Briežkalns sicher besonders aufmerksam hat hinhören lassen, ist er doch selbst einer der prominentesten Drummer seines Landes, der schon mit Jazzgrößen wie Grover Wahsington, Jr. oder Frank Foster zusammenspielte, auf mehr als 70 CDs zu hören ist, weltweit getourt ist und auch noch als einer der Chefs beim lettischen Radio arbeitet. Ganz abgesehen davon, dass Briežkalns jeden Sommer auch noch das Festival Rigas Ritmi auf die Beine stellt.
23 junge Jazzkünstler haben es in die Endrunde in Riga bei der 13. Ausgabe der Jazz Stage geschafft. Interessanterweise waren alle Teilnehmer in der Sparte Gesang weiblich, während am Schlagzeug ausschließlich junge Männer trommelten. Nach der ersten Runde, an denen sich alle Beteiligten mit einem Stück ihrer Wahl vorstellen durften, kristallisierte sich nach vier langen Stunden heraus: technisch sind alle Teilnehmer top. Aber richtig Spannendes und Eigenes boten nur wenige. Die meisten interpretierten Jazzstandards, einige wenige auch eigene Songs. So wie die Italienerin Valentina Fin mit Emotionalität in einer Eigenkomposition auf Italienisch und einem Text inspiriert von der Poesie Bertold Brechts.
Die beiden Schlagzeuger Matias Fischer-Mogensen aus Dänemark und Domo Branch aus den USA brillierten nicht nur mit ihren polyrhythmischen Einfällen, sondern auch mit Frischheit und Vitalität, die aber nie Mittel ohne Zweck war. Die einzige deutsche Teilnehmerin, die in Berlin lebende, gebürtige Frankfurter Sängerin Amanda Becker entschied sich für was Brasilianisches und machte da vor allem beim Scatten eine ganz gute Figur.
Becker schaffte es wie die Italienerin (am Ende Zweitplatzierte) und die beiden Schlagzeuger aus Dänemark und USA ins Finale der besten 13 Teilnehmer aus beiden Kategorien, konnte da dann aber so gar nicht mehr überzeugen. Andere hatte da viel mehr Individualität zu bieten. Etwa die Türkin Eylul Ergul mit einem türkischen Lied, das sie gesanglich sehr fein in einem Jazzkontext kolorierte. Als zweiten Song allerdings wählte sie einen Jazzstandard, den sie in Englisch sang, wobei sie dann deutlich abfiel. Dass man mit dem Singen von Jazzstandards herausstechen kann, zeigte die Britin Louise Balkwill, die mit einer lässigen Dreckigkeit altbekanntes Material mit neuem Glanz versah. Mit der zudem überzeugendsten Bühnenpräsenz aller Sängerinnen wusste die in London lebende Vokalistin zusätzlich zu punkten. So war es dann keine Riesenüberraschung, dass Balkwill am Ende den Wettbewerb in der Sparte Gesang gewann – was ihr neben einem Geldpreis und einem neuen Mikrofon auch Einladungen in den Nardis Jazz Club in Istanbul, in den Ronnie Scott´s Jazz Club in London und zurück nach Riga zum Festival Riga Ritmi einbrachte.
Auch Drummer Domo Branch hatte diese Coolness und wusste mit dem Publikum zu kommunizieren. Gepaart mit seinen schlagzeugerischen Fähigkeiten war er der verdiente Gewinner bei den Trommlern. Und darf sich neben Geld und Geschenken ebenfalls auf einen Auftritt in Londons Ronnie Scott´s freuen.
Wie man Lässigkeit, Entertainment und großes Können an Becken und Trommeln miteinander paart, zeigte im Abschlusskonzert der diesjährige artist in residence Jamison Ross. Der US-Drummer und Sänger war Jury-Mitglied und gab einen Workshop, um abends dann zwischen Jazz, Soul oder Gospel mit seinem Trio das Publikum im wunderschönen alten Kino Splendid Palace, dem Spielort der Riga Jazz Stage, bestens zu unterhalten. Da konnten die Wettbewerbs-Teilnehmer sehen, wie man sich perfekt auf einer großen Bühne gibt.
Nächstes Jahr im April geht die Riga Jazz Stage in die nächste Runde. Mit neuen Stimmen – und dem Saxofon als zweite Kategorie.