Jazzkonzert in der Stiepeler Dorfkirche
Kann eine Kirchenorgel so richtig swingen?
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Draußen abends um 8 sind‘s noch 30 Grad. Ich komme in die Kirche und es ist kühl. Die aus Sandstein gebaute Stiepeler Dorfkirche ist fast 1000 Jahre alt und versetzt mich mit den uralten Wandbildern irgendwie in eine andere Welt. Das ist schon eine besondere ‚location‘ für ein Jazzkonzert, zumal ein ungewöhnliches Duo mit der seltenen Kombination von Trompete ( Matthias Bergmann ) und Kirchenorgel (Oliver Schroer) auftritt.
Fotografieren während des Konzerts war nicht möglich, denn die Musiker spielten auf der sehr engen Empore, verdeckt durch die Orgel, und waren gar nicht zu sehen. Also kletterte ich vorher die alte enge steinerne Wendeltreppe hoch, um vorher ein paar Aufnahmen zu machen.
Es begann dann mit einem Vorspiel der Orgel, die ‚alle Register zog‘ und massiv ihre klanglichen und voluminösen Kapazitäten demonstrierte; die Trompete gesellte sich später dazu, klang aber schon hier recht leise.
Bei der Konzeption des Konzerts – wie ich sie verstanden habe - geht es um die Begegnung von zwei musikalischen Welten, die in einen Dialog miteinander treten sollen. Dem gewaltigen, gefühlt ‚historischen‘ Klang der Orgel steht die recht ‚kalt‘ (wohl mit Dämpfer) im Stile von Miles Davis gespielte Trompete gegenüber, die immer wieder mit ihren Soli bzw. mit solistischer Begleitung interveniert.
Gegensätze bilden auch die Personen selbst. Oliver Schroer scheint vor allem Organist zu sein, ist jedenfalls als Jazzgröße nicht bekannt. Matthias Bergmann dagegen ist ein anerkannter Jazz-Trompeter, der viele Preise erhalten hat. U. a. ist er auch Mitglied des ‚Cologne Temporary Jazz Orchestra‘ und Bandleader seines eigenen Quintetts (letzte CD ‚All The Light‘).
Die Kombination dieser Gegensätze ist ein interessantes Setting, gerade auch, wenn man die Wirkung des kirchlichen Raums dazu nimmt.
Ich muss gleich sagen, dass meiner Meinung nach hier ein Dialog der Instrumente nicht gut gelungen ist. Dies lag vor allem an der Dominanz der Orgel, was schon von Anfang an bei der Lautstärke deutlich wurde. Die Trompete war sehr viel leiser, die Orgel dominierte aber auch durch lange Phasen, in denen sie alleine spielte, und durch den sehr ausgiebigen Gebrauch ihrer Funktionen (Bässe, Akkordbegleitung und Melodieführung), für die sie nun einmal im kirchlichen Bereich ausgelegt ist. Da blieb für die Trompete oft nicht viel Spielraum.
Das alles kann viel besser klingen, wenn beide Instrumente akustisch gleichberechtigt aufgestellt sind, wie man auf der Homepage von Matthias Bergmann , allerdings mit meist anderen Stücken, sehr gut sehen bzw. hören kann.
Von den Stücken gefielen mir am besten ‚Tango‘ und ‚The Glide‘. Sie klangen rhythmischer als die anderen, beide Instrumente hatten in etwa gleiche Anteile, die Orgel verzichtete weitgehend auf lange, alles übertönende Flächen und brachte sich über kurze rhythmische Akkordsetzungen ein. Bei anderen Stücken (z. B. ‚Innigkeit‘) wurde das Thema für meinen Geschmack zu oft wiederholt, die Version des traditionellen ‚Varvindar Friska‘ klang gut und belebte, wie auch der Tango, das Repertoire.
Ich frage mich, ob es der Konzeption des Konzerts entsprach, dass die Orgel meist traditionell und die Trompete jazzig gespielt wurde, denn von Jazz war bei der Orgel kaum etwas zu hören. Kann eine Kirchenorgel überhaupt so richtig swingen?
Das gleiche Konzert hat vorher schon in anderen Kirchen stattgefunden. Ich nehme an, dass es dort anders geklungen hat, wenn die Kirchen größer waren. Wäre es in der Stiepeler Kirche vielleicht besser gewesen, wenn Matthias Bergmann vorne im Altarraum gespielt hätte? Aber dann hätten die Musiker sich nicht sehen können. Oder müsste man die Trompete verstärken?
Das Konzert fand im Rahmen des Stiepeler Kultursommers der Ev. Gemeinde statt. Die Stiepeler Dorfkirche ist generell ein interessanter Raum, auch für musikalische Events. Könnte sie nicht auch für Jazzkonzerte kleinerer Combos genutzt werden? Ich wäre sofort dabei.