Jazzfest Bonn im Posttower
Lisa Simone/Ramón Valle - geballte Energie
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Schnabel/Voigtländer
Einmal im Jahr verwandelt sich der Veranstaltungssaal im Posttower in einen Jazzclub, den höchsten Jazzclub Deutschlands (der Welt?). Am 28.4. sind das Ramón Valle Trio und Lisa Simon mit Band hier zu Gast.
Das erste Konzert spielt das Ramón Valle Trio. Alle drei Musiker haben Latin Hintergrund. Pianist und Bandleader Ramón Valle und sein Schlagzeuger Liber Torriente stammen aus Havanna. Der Bassist Samuel Ruiz kommt aus Venezuela. Alle drei Musiker leben in den Niederlanden.
Ramón Valle sagt in einer Moderation, dass er versuche die Energie der Sufis während des Derwischtanzes in seine Musik umzusetzen. Das Publikum kann diesem Bild gut folgen, denn Valle fliegt in manchen Stücken über die Tasten wie ein Derwisch. Viele Stücke beginnen mit einem Pianosolo in das dann Bass und Schlagzeug einfallen. Das Trio spielt modernen Jazz, mit leichten Anklängen von Klassik, aber der karibische und Latin Hintergrund scheinen immer wieder durch. Valle spielt ein Intro, das an Debussys Lautmalerei erinnert und wechselt dann in einen Calypso Rhythmus, den er nach einer Zeit wieder auflöst.
Temperamentvolle Stücke wechseln sich mit ruhigeren Balladen ab, wiewohl die schnelleren und rhythmischeren Stücke in der Mehrzahl sind. Alles was Valle am Flügel macht zeichnet sich durch große Leichtigkeit und Lebensfreude aus. Ab und an singt Valle einige Melodielinien ohne Worte und lässt das Publikum mitsingen. Der kleine Ramón Valle bewegt sich an seinem Flügel wie ein Tänzer. Neben dem großartigen Pianospiel besticht besonders der Bassist Samuel Ruiz durch sein rhythmisch-melodiöses Spiel.
Ramón Valle erzählt zwischen den Songs kleine Geschichten, so erfahren wir, dass er sich nur mit Musik gegen seine fünf Schwestern durchsetzen konnte. Nach dem großen Abschlussapplaus, bedankt er sich für die Energie aus dem Publikum, ohne die er nicht so spielen könne. Ramón Valle ist ein sympathisches Energiebündel, das wunderbare Töne aus dem Piano zaubern kann.
Nach kurzer Pause, in der man die tolle Aussicht über das Siebengebirge mit seinem Drachenfels und den Rhein vom Balkon des Posttowers genießen kann, geht es weiter mit Lisa Simone, der Tochter der großen Sängerin Nina Simone.
Der Gitarrist Hervé Samb, der aus dem Senegal stammt, tritt auf die Bühne und beginnt auf einer halbakustischen Gitarre zu spielen. Er ist ein derart virtuoser Spieler, dass er auch ein Solokonzert geben könnte. Er vereint die Gitarren von Ali Farka Toure, Amadou, B.B. King, Cuck Berry, George Benson und James Blood Ulmer in seinem Spiel. Gespielt hat er schon mit vielen Größen des Jazz, wie Pat Metheny, David Murray, Pharao Sanders u.a. er ist der musikalische Direktor von Lisa Simons Band.
Seine weiteren Soli während des Konzertes sind atemberaubend.
Nach ihm kommt der Bassist Reggie Washington, aus den USA, auf die Bühne, der mit Steve Coleman, Branford Marsalis oder Cassandra Wilson zusammen gespielt hat. Der Schlagzeuger Sonny Troupé stammt aus der Karibik, aus Guadeloupe. Er spielt u.a. mit Kenny Garrett. Alles Musiker der Spitzenklasse.
Danach kommt Lisa Simone auf die Bühne und beginnt zu singen. Sie singt Songs aus ihren beiden Alben “All Is Well“ (2014) und “My World“ (2016). Ihre Songs sind ein Zusammenspiel von Jazz, Soul und Gospel. Sie hat einen großen Stimmumfang und wechselt mühelos von leisen zarten Passagen zur Soulröhre oder zum Gospelschrei. Sie singt auch zwei Songs ihrer Mutter, das berühmte “Ain`t Got No“ und ein Lullaby, dass Nina Simone 1965 für die dreijährige Tochter schrieb. Mit ihrer Stimme, ihrer Präsenz und ihren großartigen Musikern erobert sie die Herzen des Publikums im Sturm. “I want you to close your eyes and enter my world”.
Man spürt das Lisa Simone eine erfahrene Entertainerin ist, sie hat Broadway Erfahrung und ist mit der Band Liquid Soul getourt. Während des Songs “Unconditionally“ lädt sie das Publikum zum Mitsingen ein, dann verlässt sie Bühne und begibt sich singend ins Publikum um Hände zu schütteln. Am Ende gibt es Standing Ovations und bei der Zugabe bewegen sich viele ZuhörerInnen zur Musik. Ein mitreissendes Konzert, mit vielen Höhepunkten, einer von ihnen ist sicher das Cover des Leonard Cohen Songs “Susan“. Ursprünglich ein langsamer, melancholischer Song, der sich bei Lisa Simone und ihren Musikern zu einem veritablen Stück Soul verwandelt. Aber auch der “Worksong“ oder “Revolution“ sind Lieder, die die Menschen ergreifen. Das Publikum klatscht und singt mit und feiert am Ende des Konzerts die Sängerin und ihre Musiker. Kein typischer Jazzabend, aber so kann Jazz eben auch sein, mit viel Soul und Heart. Zwei großartige Konzerte.
Mit diesem Doppelkonzert werden auch die beiden Schwerpunkte des Bonner Jazzfest 2016 markiert: das Piano und der Jazzgesang. Diese Doppelpack Konzerte sind ein Markenzeichen des Jazzfestes mit dem Peter Materna , der künstlerische Leiter, unterschiedliche MusikerInnen an einem Abend zusammenbringt. Dieses Konzept wird vom Publikum gut angenommen, so sind die elf Doppelkonzerte so gut wie alle ausverkauft. Und das Jazzfest Bonn expandiert, gab es letztes Jahr 20 Konzerte an zehn Abenden, so gibt es dieses Jahr bereits 22 Konzerte an elf Abenden. Die gute Auswahl der MusikerInnen ist natürlich der Hintergrund für den Erfolg des Bonner Festivals.
Weitere Berichte werden folgen.
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