JAZZFEST BONN
Fuchsthone Orchestra im Pantheon
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Thilo Beu
Das Fuchsthone Orchestra ist auf Konzerttour und im Rahmen des Jazzfest Bonn spielte es im Pantheon in Bonn Beul. Christina Fuchs und Caroline Thon haben das Orchester 2019 ins Leben gerufen, mit dem Ziel eine neue zeitgenössischen orchestrale Musik, auch mit Einsatz von Elektronik zu kreieren. Seitdem haben die beiden Leiterinnen den Sound des Fuchsthone Orchestra kontinuierlich weiterentwickelt und verfeinert. Wir haben von NRW Jazz vom ersten Konzert an das Orchester auf seiner Reise begleitet.
Aktuelle Themen von Gletscherschmelze in Island bis zum Aufstand im Iran
Das Publikum im ausverkauften Bonner Pantheon wir buchstäblich ins eiskalte Gletscherwasser geworfen. Das Konzert des Fuchsthone Orchestra beginnt mit der Komposition Iceland von Christina Fuchs. Ohne Vorwarnung geht es los mit lautem KrachenkalbenderGletscher, von Eva Pöpplein an der Elektronik eingespielt und Filippa Goyas eindringlichem Gesang “Listen! Listen!“. Das Orchester setzt sofort ein Zeichen, hier sind wir und wir wollen das Publikum aus der Komfortzone herausholen, wollen Hörgewohnheiten hinterfragen, durchbrechen oder sogar sprengen.
Aber das Konzert ist keine Aneinanderreihung von Knalleffekten, sondern Grenzen werden dann überschritten wenn es musikalisch sinnvoll ist. Iceland setzt auch ein Zeichen gegen den Klimawandel, so werden auch Sätze der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg eingespielt. Nachdem furiosen Einstieg setzen die Bläser ein und verstärken die Dramatik. Jens Düppe schlägt harte Beats zur verzerrten E-Gitarre von Andreas Wahl . Zwei Soli werden von John-Dennis Renken an der Trompete und von Veit Lange am Tenorsaxophon gespielt. Es gibt ein wildes Durcheinander an Elektronikeinspielungen, die Natur und die Musik ist aus den Fugen geraten.
Das nächste Stück ist von Caroline Thon und trägt den Titel The Beauty. Mit tibetischen Mönchsgesängen und dem Aufgreifen einer Melodie eines tibetischen Ritualgesanges, wird ein Zeichen gesetzt um die Elemente in Balance zu bringen. Die Musik ist hier melodischer, Texte von tibetischen Meditationsmeistern und vom römischen Philosophen Lukrez werden eingespielt. Roger Hanschel spielt ein Altsaxophonsolo und Matthias Schuler ein Posaunensolo. Zuzana Leharova spielt Geige von Laia Genc am Klavier begleitet. Harmonie und Heilung stehen hier im Mittelpunkt der Musik, aber auch dazu gehören einige dissonante Klänge.
Die beiden Leiterinnen des Orchesters wechseln sich ab. Immer diejenige, die das Stück komponiert hat leitet auch das Orchester. Nun ist also Christina Fuchs wieder an derReihe. Sie nimmt das Publikum musikalisch auf eine Reise durch die Lüfte mit, mit einem Paraglider. Christina hat die persönliche Erfahrung eines Paraglider Fluges in Musik umgesetzt. Folgerichtig beginnt das Stück mit Windgeräuschen der Bläser und der Elektronik. Es gibt ein Altsaxophonsolound danach spielt Matthias Bergmann ein Flügelhorn Solo. Aber auch typische Big Band Bläsersätze haben ihren Raum.
Nach den Erfahrungen des Fliegens von Christina Fuchs, drückt Caroline Thon starke Gefühle aus, Wut, über das was im Iran mit den Frauen gemacht wird. Die Inspiration kam Caroline auf einer Solidaritätsdemo für die iranischen Frauen. Ein schräges Bassintro von Alex Morsey wird von Geige und Klavier mit viel Dissonanz aufgegriffen und von Jens Düppe an den Drums begleitet. Die Gitarre von Andreas Wahl gibt klagende singende Laute von sich und John-Dennis Renken spielt ein eindringliches Trompetensolo. Danach folgt noch ein Posaunensolo mit Dämpfer über einen Klangteppich mit Bläsern. Nicht immer im Vordergrund, aber ständig gegenwärtig ist die Elektronik von Eva Pöpplein.
Das Publikum trägt die Musik des Orchesters
Das Publikum gibt den einzelnen Solodarbietungen und den Stücken großen Beifall und unterstützt das Energielevel des Orchesters und bringt Caroline zu dem spontanen Ausruf: „Was für eine Publikum, was für ein Orchester.“ Auch Christina Fuchs wird von diesem Zuspruch getragen. „Wir machen einfach weiter.“ Und weiter macht sie mit einem Teil aus der Suite Structures. Es geht um kleine Strukturen und um Tischtennis, eine Leidenschaft von Christina. Laia Genc spielt ein Klavierintro auf den Saiten des Flügels, so dass es wie ein Harfenspiel klingt. Die anderen Instrumente nehmen die Klänge auf. Es gibt auch ein Geigensolo.
Zum Abschluss kommt noch einmal Caroline Thon mit ihrem Stück The Truth Of J.P.S. auf die Bühne. Ein Stück das von Jean Paul Satres Bühnenstück Die geschlossene Gesellschaft inspiriert ist. Es beginnt mit einer Schlagzeugeinleitung, gefolgt von kräftigen Bläsersetzen, ein Bassposaunensolo, ein Solo des Altsaxophons und ein Trompetensolo.Ein melodischer Trompetenausklang mit Klavierbegleitung kippt in wilde Kakophonie. Ruhiges Spiel im Wechsel mit wildem Chaos. Am Ende gibt es auch eine rockige Passage, harte Beats von Jens Düppe und Figuren aus der Rockmusik von Andreas Wahl .
Eine ungemein vielfältige Musik, die immer wieder aus den gewohnten Bahnen ausbricht. Das Fuchsthone Orchestra entwickelt sich ständig weiter. Die Stücke erschienen mir noch dichter und kohärenter, als bei früheren Konzerten. Der Elektronikbereich wird immer besser in den Gesamtklang eingefügt. Und die Solo Improvisationen sind jedes Mal herausragend.
Man spürt, dass die beiden Leiterinnen die Musik beständig weiterentwickeln, dass das Orchester, trotz Besetzungswechsel, mehr und mehr zusammenwächst und dass das es einfach aus großartigen Solisten besteht, von denen viele selbst Bands leiten.
Das Fuchsthone Orchestra hat in Bonn ein herausragendes Konzert gespielt, bei dem das Publikum, auch ungerade kurvige Wege mitgegangen ist und das Orchester mit viel Beifall und Zuspruch unterstützt hat. Orchestrale Musik mit Improvisationsanteil für das 21. Jh. , die alle Gattungsgrenzen überschreitet und sich im weiten Feld, von zeitgenössischer Musik und Jazz verortet. Das Fuchsthone Orchestra ist eine wegweisende Großformation für aktuelle orchestrale Musik.
Besetzung des Fuchsthone Orchestra:
Ltg/ Kompositionen: Christina Fuchs und Caroline Thon
Saxophone: Roger Hanschel , Julian Drach, Veit Lange, Joachim Lenhardt, Susanne Weidinger
Trompeten: Jan Schneider, Matthias Knoop, John-Denis Renken, Matthias Bergmann
Posaunen: Philipp Schittek, Matthias Schuller , Moritz Wesp, Wolf Schenk
Violine: Zuzana Leharovà, Vocals: Filippa Gojo , Gitarre: Andreas Wahl ,
Bass: Alex Morsey, Drums: Jens Düppe , Piano : Laia Genc
Elektronik/ Live-Sampling: Eva Pöpplein
Berichte über frühere Konzerte:
https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2022/Fuchsthone_Orchestrain_der_Jazz_Schmiede_Duesseldorf/
https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2021/FuchsThone_Orchestra_Reloaded_II_Stadtgarten/
https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2020/Orchestra_Dinslaken_/
https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2019/FuchsThone_Orchestra_im_Stadtgarten/