Jazzfest Bonn Extended: Von der Ostsee zum Mittelmeer
Jacob Karlzon Trio/ Andreas Schaerer & Luciano Biondini
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Voigtlaender/JFB
Beim Doppelkonzert des Jazzfest Bonn Extended trifft der kühle Norden trifft auf den heißen Süden.
Im Bonner Haus der Geschichte gab es ein Doppelkonzert, eine Art Bonuskonzert des Jazzfestes. Der angesagte schwedische Pianist Jacob Karlzon ist mit seinem Trio auf Tour, um sein aktuelles Album Open Waters vorzustellen. Das Bonner Konzert bildet den Auftakt der Tournee, entsprechend aufgeregt sei die Band, verkündete Karlzon. Aber wir haben es hier mit gestandenen Profis zu tun, so hat Karlzon lange für Till Brönner die Tasten gedrückt und ist große Bühnen und Konzerte gewohnt.
Jacob Karlzon, der an der Ostsee lebt, hat mit dem neuen Album seine Gefühle, auch aus Kindheit und Jugend, ausgedrückt, die er bei Begegnungen mit dem Meer hatte. Jeder Segler weiß, dass die Ostsee nicht unterschätzt werden darf, sie zeigt sich nicht selten als ein raues und wildes Meer. So vielfältig wie das Mare Balticum erlebt werden kann, ist auch die Musik des Karlzon Trios.
Mit Morten Ramsbøl am Bass und Schlagzeuger Rasmus Kihlberg hat der Pianist zwei hervorragende Musiker an seiner Seite, die zum einem organischen Gruppensound beitragen.Jacob Karlzon spielt neben dem Piano auch ein Keyboard setzt auch hier und da elektronische Elemente ein. Die Musik ist breitgefächert von rockigen Arrangements, Rückgriffe auf die 80er bis hin zu stimmungsvollen Balladen. Jacob Karlzon betont, das die Musik im Moment des gemeinsamen Spiels seine endgültige Form findet und Improvisation das Herzstück der Band ist. „Wir werden sehen wo uns die Musik hinträgt.“ Der ständige freundliche und fröhliche Blickkontakt, lässt auch das Publikum erkennen, wie die Musiker aufeinander bezogen mit viel Spielfreude ihre Musik gestalten.
Der Tourneeauftakt ist ein voller Erfolg und das Publikum gibt dem schwedischen Trio Standing Ovations.
Das zweite Konzert des Abends ist von völlig anderer Art. Nach dem teilweise treibenden Jazz aus dem Norden, geht es mit Andreas Schaerer und Luciano Biondini in die Gefilde der italienischen Folklore. Der Italiener Biondini gehört weltweit zu den besten Akkordeonisten. Er hat mit seinem Spiel neue Impulse in den Jazz gebracht. Wie kein anderer hat er die Volksmusik seiner Heimat in den Jazz integriert. Er spielt im Duo mit dem Schweizer Stimmkünstler Andreas Schaerer.
Vor zwei Jahren war Schaerer mit seiner Band Hildegard lernt Fliegen zum ersten Mal Gast auf dem Bonner Jazzfest und spielte ebenfalls im Haus der Geschichte ein fulminantes Konzert. Wie die Leiterin des Hauses sagt: „Er hat das Haus gerockt.“ Auch letztes Jahr war er auf dem Jazzfest mit seiner neuen Band A Novel Of Anomaly. Nun tritt er in einem ganz anderem Format auf, im intimen Duo.
Andreas Schaerer singt italienische Liebeslieder, natürlich in italienischer Sprache, begleitet lautmalerisch alte Volksweisen, imitiert eine ein ganzes Stück lang eine Posaune als Begleitung des Akkordeons. Er ist keine Minute ruhig auf der Bühne, bewegt sich, zappelt oder geht hin und her. Er imitiert mit Klackgeräuschen das rhythmische Spiel einer Beatbox und schafft es dabei eine Melodie im hinteren Rachenraum zu singen. Der Mann ist ein echtes Stimmwunder. Er jodelt, schnalzt, quietscht, singt, scattet und produziert die wunderlichsten Töne. Auch wenn Luciano Biondine immer wieder wunderschöne Soloparts spielt, ist Schaerer nahezu pausenlos im Einsatz. Für einen Teil des Publikums ist es hart an der Grenze zur Überdosis.
Aber Andreas Schaerer ist und bleibt das sympathische Stimmgenie aus der Schweiz, der mit seiner Stimme nahezu alles machen kann.
Ein spannendes Doppelkonzert des Jazzfest Bonn Extended, das schon die Vorfreude auf das Jazzfest 2020 weckt.