Bild für Beitrag: Jazzfest Bonn 2017 | Christopher Dell – DRA / Heiner Schmitz – Organic Underground
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Jazzfest Bonn 2017

Christopher Dell – DRA / Heiner Schmitz – Organic Underground

Bonn, 20.05.2017
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Lutz Voigtländer

Nachdem das Jazzfest Bonn erfolgreich in den großen Spielstätten Telekom Forum, Universität und Post Tower angelaufen ist, findet nun ein Doppelkonzert in der alternativen Bonner Brotfabrik im Stadtteil Beul statt. Die Brotfabrik ist ein Ort, in dem auch über das Jahr Jazzkonzerte stattfinden.

Das Doppelkonzert in Beul präsentiert sehr unterschiedliche Facetten des Jazz.

(Musik) Malen nach Zahlen | Christopher Dell Trio – DRA

Hinter dem Bandnamen DRA stehen die Anfangsbuchstaben der drei Musiker:

Christopher Dell – Vibraphon, Komposition

Christian Ramond – Bass

Felix Astor – Schlagzeug

Die Musik des Trios ist komplexer kammermusikalischer Jazz mit viel Dynamik. Die Kompositionen, die einen großen Improvisationsanteil beinhalten, stellen eine Verbindung von kreativem Jazz und Neuen Musik her. Mit ständigen Taktverschiebungen, Rhythmus - und Tempowechseln ist die Musik hochkomplex und es ist nötig für die Musiker immer wieder zu zählen, wenn sie an bestimmten Punkten zusammenkommen wollen, sonst sind sie schier verloren. Alle drei Musiker zählen mehr oder weniger Laut vor sich hin. Zählen als Teil der Performance, wie es Christopher Dell ausdrückte. Auch die Stücke tragen Zahlen als Titel, so hörten wie erst das Stück Nr.100, dann das Stück Nr.102. Als Christopher Dell sich bei den Titeln “verzählt“, wird er von dem aufmerksamen Publikum korrigiert.

Die Musik, die fein und sensibel ist und doch voller Verve und Dynamik, erfordert viel Konzentration, belohnt die Zuhöherer*innen aber dafür mit einem hochkomplexen Musikgenuss.

Immer wieder werden von den einzelnen Instrumenten ostinate Figuren gespielt, mit feinen Verschiebungen, über die den die anderen Instrumente improvisieren. Ein Hauch von Minimalmusic wird hier spürbar. Im ersten Stück spielen Christopher Dell am Vibraphon und Christian Ramond am Bass ein Ostinato über das Felix Astor rhythmische Figuren setzt. Im zweiten Stück (Nr.102) ist ein wunderbarer Dialog von Bass und Schlagzeug und Dell spielt ein vertraktes Ostinato zu dem Felix Astor ein Schlagzeugsolo beisteuert.

Das Stück Nr.99 ist dem legendären Drummer Max Roach gewidmet. Felix Astor spielt einen typischen Roach ¾ Takt und setzt darüber einen 5/5 Swing.

Das Trio feiert im nächsten Jahr sein 20 jähriges bestehen, so ist kein Wunder das die Musiker enorm gut aufeinander eingespielt sind. Trotz aller Zahlen und ihrer komplexen Struktur ist die Musik flüssig und leicht. Die “Verdichtung des Spiels in der Konzentration“, wie Dell es nennt, ist für das Publikum physisch spürbar und drückt sich auch in den Körperbewegungen der Musiker aus. Subtil und temperamentvoll gleichzeitig.

Mit Groove durch die Wochentage | Heiner Schmitz – Organic Underground

Für den Saxophonisten Heiner Schmitz ist dies der zweite Auftritt beim diesjährigen Jazzfest Bonn. Als Mitglied der Jazzkantine war bereits auf dem Eröffnungskonzert im Telekom Forum dabei. Nun präsentiert Heiner Schmitz seine eigene Band mit eigenen Kompositionen:

Ludwig Nuss – Posaune

Dirk Schaadt – Hammond B3

Martin Feske – Gitarre

Florian Bungardt - Schlagzeug

Während im ersten Konzert die Zahlen dominierten, führen die Titel von Heiner Schmitz das Publikum durch die Woche, von Monday at Lunch bis zu Sunday 10 a.m.

Die Musik ist dem groovigen Jazz der sechziger Jahre verpflichtet, wie er von dem Saxophonisten Eddie Harris gespielt wurde. Schmitz hat das Stück Friday Jazz Dance seinem Vorbild Eddie Harris gewidmet und sich von dessen Freedom Jazz Dance inspirieren lassen.

Souliger Jazz mit viel Power. Der Eröffnungstitel Steam and Soil ist Programm: Dampf machen und immer erdig bleiben. Eingebettet in diesen groovigen Sound spielen Heiner Schmitz und Ludwig Nuss auf Tenorsaxophon und Posaune großartige Soli. Ein wichtiges Element des Sounds von Organic Underground und auch teilweise Namensgeber ist die Hammondorgel B3. Mit einem Augenzwinkern wird die Orgel für ein sakral anmutendes Intro im Stück Sunday 10 a. m. eingesetzt. Sonntagmorgen die Zeit des Gottesdiensts. Und tatsächlich wurde die Hammondorgel in den USA auch erst in den Kirchen eingesetzt, bevor sie in die Welt, des Jazz, Soul, Rock und Reggae Eingang fand. Aber nach dem Intro geht es gewohnt weiter, mit kraftvollem Basstrommeln, flirrenden Gitarrenfiguren und einem herausragendem Tenorsolo, es wird gegroovt was das Zeug hält.

Natürlich wird auch diese Band nicht ohne Zugabe vom Publikum entlassen. Als letztes Stück spielt die Gruppe Organic Titanic. Was auch immer den Titel inspiriert hat, die Musik nährt keine Untergangsstimmung und die Band erleidet auch keinen Schiffbruch.

Groove Jazz auf hohem Niveau.

Das Jazzfest brachte dem Publikum in der Brotfabrik zwei völlig unterschiedliche Seiten des Jazz zu Gehör. Im ersten Konzert war die Beziehung zur neuen zeitgenössischen Musik

zentraler Bestandteil, während im zweiten Konzert die Öffnung des Jazz in Richtung Soul und Pop zu spüren war. Das macht die Stärke des Jazz aus, unterschiedliche Einflüsse zu integrieren, sich mit verschiedenen Genres zu verbinden, davon beeinflusst zu werden und selber zu beeinflussen. Wo fängt Jazz an, wo hört Jazz auf? Jeder Musiker, jede Musikerin definiert dies immer neu. Zwei hochkarätige Beispiele für die Bandbreite des Jazz hat das Jazzfest Bonn mit dem Doppelkonzert in Beul präsentiert.

Das Jazzfest Bonn dauert noch bis zum 27.5.17, es gibt noch Karten für einzelne Konzerte.

Weitere Infods und Programm:

www.jazzfest-bonn.de

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