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Kultur als Statement

Streifzug über die jazzahead 2024

Bremen, 18.04.2024
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Am vergangenen Sonntag, dem 14. April, ging die 18. Ausgabe der Fachmesse und des Festivals jazzahead! in Bremen zu Ende. Mit 2.985 registrierten professionellen Teilnehmern aus 66 Ländern und insgesamt 14.490 Besuchern beim jazzahead!-Festival wurden die Erwartungen des Veranstalters Messe Bremen mehr als erfüllt. Äußerer Eindruck: Die Szene lässt sich auch durch alle möglichen widrigen Rahmenbedingungen nicht unterkriegen – ebenso wird Jazz in zunehmender Weise auch als attraktiver Export und als kulturpolitisches Aushängeschild begriffen. "Besonders in diesen schwierigen Zeiten haben wir als internationale Jazzfamilie Einigkeit demonstriert und all die Dinge gefeiert, die uns verbinden", zieht Götz Bühler, seit letztem Jahr künstlerischer Leiter der jazzahead, sein persönliches Fazit.

Genau diesen Eindruck hinterließ in diesem Jahr ein Streifzug, der aber leider etwas kürzer ausfallen musste und diesmal nur den Samstag umfasste. Die jazzahead ist auf jeden Fall ein lebendiger, kommunikativer Ort, wo fast jeder dieser großen Familie irgendwo und irgendwann mal anzutreffen ist. Nicht nur das Partnerland Niederlande war mit einem großen Stand und einer umfangreichen Delegation vertreten, sondern auch die meisten anderen europäischen Länder, aber auch aus Übersee. Panels und Diskussionen zu aktuellen Themen wie "Education", "Frauen im Jazz" oder "Die Zukunft des Jazz im (öffentlichen) Radio" ermutigten die professionellen Teilnehmer zum Gespräch und zur Debatte.

Ein Treffen von Vertretern der europäischen Rundfunkorganisation EBU sorgte für eine verstärkte Rundfunkaktivität, insbesondere unter Nutzung des Radio-Bremen-Radiostandes, der sich in der großen Ausstellungshalle befindet.

Die Musik erneuert sich ständig

Und natürlich gab es wieder extrem viel Musik zu entdecken – hier nur ein paar Streiflichter, die aber umso gehaltvoller dem vielfältigen Ganzen Farbe gaben: Die Ukraine verfügt nicht nur über eine verschwenderische Fülle hochtalentierter, bestens ausgebildeter Musikerinnen und Musiker, die eigene Szene zeigt auch in puncto Kreativität dem Rest der Welt, wo es langgeht. Keine Frage, dass Konzerthäuser und Clubs in Kiew und anderswo auch in Kriegszeiten offen sind. Eine definitive Neuentdeckung der jazzahead markiert die elektroakustische Band DZ’OB aus Dnipro. Eine feine, gestenreiche Kammermusik von Oboe, Klarinette und Fagott auf der einen und zwei Streichern auf der anderen Seite wird durch einen coolen Beat getaktet durch Schlagzeuger und subtile Elektronik – herauskam musikalische Relevanz, die vom Kammermusiksaal bis hin zu jedem Club anschlussfähig ist. Den begeisterten Applaus beantworteten Vasyl Starshynov (Oboe), Oleksii Starshynov (Fagott), Iryna Li (Violine), Oleksii Badin (Klarinette, Elektronik) und Andrii Yarovyi (Schlagzeug) durch das Hissen der ukrainischen Flagge. Kultur als Statement, aber eben auch auf hohem Innovationsniveau! Tineke Postma, eine der herausragenden Persönlichkeiten der lebendigen niederländischen Musikszene, ist vor allem auch eine einfühlsame Zuhörerin. Solche Qualitäten offenbarte ein Showcase-Konzert mit ihrem aktuellen Trio, auch Aria Group genannt. Gemeinsam mit Robert Landfermann am Bass und Tristan Renfrow am Schlagzeug entführte sie das Publikum auf eine modale Klangreise voller klanglicher Innovation und emotionaler Tiefe. Erfreulich genug ist es, dass durch die Beteiligung des Kölner Bassisten auch eine künstlerische Verbindung zum niederländischen Nachbarland gelebt wird – solche grenzübergreifenden Kooperationen auszubauen, ist ja auch Anliegen der jazzahead.

Jazz als gesellschaftliche Einmischung

Ein frisches Klaviertrio um die bulgarisch-österreichische Pianistin und Komponistin Alexandra Ivanova begeisterte mit einer fesselnden Performance, die auch kulturpolitisch einiges zu sagen hatte. Mit beeindruckender Gewandtheit öffnete Alexandra Ivanovas Trio alle Türen zwischen Jazz, nahöstlichen Maqam-basierten Traditionen und auch afro-kubanischen Rhythmen. Einen hervorragenden Job machten dabei auch Nilas Lukassen (Bass) und Nathan Ott (Schlagzeug). Auch verbal zeigte sich Alexandra Ivanova als kraftvolle Performerin, wenn sie phasenweise in engagierter spoken-word-poetry programmatische Appelle zur Toleranz zwischen Kulturen und Geschlechtern vortrug.

Ein Duo, das bereit ist, an die Grenzen zu gehen, fand in der konzentrierten Atmosphäre des, wie immer, gut gefüllten Schlachthofs ideale Bedingungen. Schon wie zu Anfang die wachsende Erregung in Leïla Martials Stimme von Valentin Ceccaldis Cello-Tremoli beantwortet wurde, markierte großartiges Hörkino. Das französische Duo schöpfte noch nicht einmal die zur Verfügung stehenden 30 Minuten aus, um in einem schillernden Kosmos zwischen freier Improvisation, Chansons und imaginärem Musiktheater Berge zu versetzen – kein Wunder, wenn Hieronymus Bosch surreal-religiöses Gemälde vom Garten der Lüste für das aktuelle Programm von Leïla Martial & Valentin Ceccaldi Pate stand.

Die Niederländische Szene steht für Internationalität

Noch einmal neue Klänge aus den Niederlanden – und noch einmal eine Formation, die eben nicht nur von dort, sondern auch aus Dänemark und Italien kommt und im Nachbarland zusammengefunden hat, weil hier eben so „internationale“ Arbeitsbedingungen herrschen: Bei Raw Fish wird die ganze Diversität popmusikalischer Referenzen zum Rohmaterial - dass dabei die Betonung auf „roh“ liegt, stellten Teis Semey, Giovanni Iacovella am Schlagzeug und Marta Arpini mit Gesang und Synthesizern wiederum mit verblüffendem Feingefühl unter Beweis. Von kantigen Beats über psychedelische Synthesizerklänge bis hin zu rätselhaften Melodien und Riffs aus Indipop und Alternative Rock lieferte das Trio viel faszinierende sinnliche Ambivalenz.

Auch wer am Samstagabend drei lange jazzahead-Tage und -nächte hinter sich hatte, wurde spätestens hier wieder hellwach: Die mongolische Pianistin Shuteen Erdenebaatar hob zusammen mit ihrem Quartett zu einem enthusiastischen Höhenflug ab - mit so viel Ausstrahlung, dass auch vor einem so großen Auditorium wie in der vollbesetzten Messehalle sowas wie Intimität entstand. Glitzernde Tongirlanden, der warme Atem des Sopransaxophons, eine zupackende Rhythmusgruppe und fokussierte, gleichberechtigte Interaktionen – all das gab dieses Quartett mit furioser Vehemenz ans begeisterte Publikum weiter. Shuteen Erdenebaatar am Klavier, Nils Kugelmann am Bass, Valentin Renner am Schlagzeug und Anton Mangold an Saxophon und Flöte arbeiten mit Herzblut und voll fokussierter Klarheit an den ewigen Idealen des modernen Combojazz, in deren Kern wiederum diese individuellen unerschöpflichen kompositorischen Einfälle dieser in München beheimateten Ausnahme-Pianistin und Bandleaderin stehen.

Auftrittsmöglichkeiten und Kontakte gesucht

Der rumänische Geiger George Dumitriu sollte noch am Sonntagmittag ein Spontankonzert in Bremens Innenstadt geben – vor allem ging es ihm auf der jazzahead und Pablo Rodriguez darum, dass ihr formidables „North Sea String Quartet“ mehr Bekanntheit außerhalb der Niederlanden erlange - vor allem, wenn es um Auftrittsmöglichkeiten gehe. Aktuell bewerben sie ihr neues Album „Splunge“, ebenso gab es am niederländischen Messestand alle Informationen zur aktuellen Tournee, die auf jeden Fall mal einen Kurztrip ins Nachbarland rechtfertigen. Wer sich mit einem unkonventionellen Ansatz zwischen die Stühle von Genres setzt, fällt oft bei Bookern und Veranstaltern aus den Wahrnehmungsschablonen heraus. Dies zu ändern war unter anderem ein Anliegen auf der jazzahead. Wer mit den Musikern in Bremen ins Gespräch kam, spürte auch eine immense Leidenschaft, mit der sie in Workshops und Masterclasses das eigene Wissen um neue Wege in der Klanggestaltung auf Instrumenten weiter geben.

Messehalle wurde zum Dancefloor

Den krönenden musikalischen Abschluss dieser erfolgreichen 18. jazzahead! lieferten emotionale und mitreißende Darbietungem des senegalesischen Sängers/Bassisten Alune Wade – ebenso verwandelte das niederländisch-marrokanische "Marmoucha Orchestra" aus Amsterdam die Messehalle in einen großen Dancefloor, was nicht nur der intensiven Bühnenpräsenz des Guembri-Spielers Mehdi Nasouli zu verdanken war, sondern auch dem vibrierenden, musikalisch feinsinnigen Groove dieser Großbesetzung, die aus vielen Ländern kommt und sich, wie so oft in der multinationalen und multikulturellen Selbstverständlichkeit der niederländischen Musikszene, vereinte.

Die jazzahead! 2025 findet vom 24. bis 27. April in Bremen statt.



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