Jazz und Wein vertragen sich bestens
Bericht vom Internationalen Jazz Festival Leibnitz
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Peter Purgar
Sich in den Musikarchiven der Shetland-Inseln tummeln auf der Suche nach verschollenen Melodien - auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Für Norman Willmore ist diese Suche gar nicht einmal so ungewöhnlich, stammt der Altsaxofonist doch von der zu Schottland gehörenden Inselgruppe, ist dort aufgewachsen und zieht bald wieder dorthin zurück. Mit seinem schottischen Landsmann, dem Schlagzeuger Corrie Dick aus Glasgow, spielt Willmore als Duo Norman & Corrie am Eröffnungsabend vom Internationalen Jazz Festival Leibnitz im 300 Jahre alten Bischöflichen Weinkeller vom Schloss Seggau. Und die Schotten sorgen gleich für einen Festival-Höhepunkt. Mit Schlagwerk, Altsaxofon, Orgel-Pedalen und ein wenig Elektronik ausgestattet denken die beiden Musiker traditionelle, wunderschöne folkloristische Shetland-Melodien völlig neu und überführen sie in einen zeitgenössischen Jazzkontext. Für so manchen vielleicht nicht mutig genug, dafür aber immer nachvollziehbar am Ausgangsmaterial orientiert und in jedem Moment mehr als hörenswert.
Die Exlusiven Projekte sind Weltklasse
Zum Jazzfestival in die südliche Steiermark nach Leibnitz zu reisen, ist jedes Jahr absolut lohnenswert. Denn der künstlerische Leiter Otmar Klammer programmiert seit dem Start des Festivals vor 13 Jahren äußerst spannend, holt Projekte gerne exklusiv nach Österreich. So wie heuer etwa das Tomeka Reid Quartet. Und wie cool kann ein Cello im Jazz klingen, wenn in den Händen von Tomeka Reid! Die Cellistin aus Chicago swingt, groovt und betört mit starken Melodien auf ihrem Instrument. Und das alles in einer Musik die sich unglaublich flexibel in einem Spannungsfeld zwischen freigeistiger Spontaneität und strukturierter Präzision und Bewusstsein der Jazztradition bewegt. Was natürlich auch an Reids außergewöhnlichen Bandmates in diesem saiten-dominierten Quartett liegt. An den schillernden, auch mal elektronisch bearbeiteten Sounds der Stromgitarre von Mary Halvorson, die immer auf der Suche nach neuen Klängen ist, herrlich aus Strukturen auszubrechen versteht, ohne diese jedoch völlig zu verlassen. An Jason Roebke, der sich mit seinem Kontrabass als ideale tieftönende Ergänzung zu Tomika Reids Cello entpuppt. Und an Tomas Fujiwara, der das alles so lässig zusammenhält mit seinem scheinbar so unspektakulären, aber unheimlich akzentuierten Kreativ-Drumming.
Dass Klarinettist und Altmeister Louis Sclavis verzaubern würde das konnte man von dem Franzosen wohl erwarten. Und so sitzt man dann auch erwartungsfroh vor der Bühne und lauscht gespannt dem Louis Sclavis Quintet India, welches das Wort „Indien“ im Bandnamen in erster Linie als imaginäre Inspiration versteht, ähnlich der „imaginären Folklore“, die Sclavis im Jazzkontext maßgeblich mitgeprägt hat. Sein Quintett brilliert in Leibnitz mit virtuosen, stimmungsvollen, improvisationsgetränkten Klängen und starken Solisten wie dem Trompeter Olivier Laisney, Pianist Benjamin Moussay und nicht zuletzt dem Bandleader selbst. Auch das kubanische Ivan „Melón“ Lewis Trio verwöhnt die Ohren. Mit einer tänzerischen Leichtigkeit in den Melodien trotz teils komplexer Strukturen und einem einfallsreichen Mix aus Afro-Cuban Jazz garniert mit europäischer Klassik. Sicher keine Neuerfindung des Genres, aber inspirierend und immer schön Kubajazz-Klischees locker umkurvend. Dazu gibt sich Pianist Ivan „Melón“ Lewis auf der Bühne auch noch supersympathisch. Diese Kombination beschert den drei Kubanern am Ende tosenden Applaus vom Publikum.
Zu gutem Jazz passt guter Wein
Zu gutem Jazz passt ja auch irgendwie guter Wein. Beides hat Leibnitz zu bieten. Manch edler Tropfen aus der Region hat internationales Spitzenniveau. Und so trägt das Jazzfestival den Zusatz „Jazz & Wine“ gerne und voller Stolz. An den beiden Festivalabenden, die im Kulturzentrum der Stadt stattfinden, laden Winzer der Region immer zur Verkostung ihrer Weine vor den Konzerten ein. Und der letzte musikalische Ton erklingt bei dem viertägigen Festival immer beim Open Air-Brunch-Konzert bei einmal mehr sonnigem Wetter vor einem wunderschön gelegenen Weingartenhotel. Die italienische Alternative Soul-Sängerin Naima Faraò macht dort mit ihrem Quartett und ihrer starken Stimme und modernen Soulstücken, darunter auch Nummern von Erykah Badu oder Joe Armon-Jones, viel Spaß und sorgt für einen sehr unterhaltsamen, energievollen Ausklang eines wieder einmal rundum überzeugenden Jazz Festivals Leibnitz.